ZusammenfassungIn der akademischen und öffentlichen Debatte wird der irreversible Hirnfunktionsausfall als Kriterium des Todes (Hirntodkriterium) immer wieder hinterfragt. Im vorliegenden Artikel werden 6 prototypische Thesen gegen das Hirntodkriterium diskutiert: 1) Nichtsuperiorität des Gehirns gegenüber anderen Organen, 2) Unsicherheit der Hirntoddiagnostik, 3) erhaltene Schmerzempfindung Hirntoter, 4) (spontane) sexuelle Reifung und erhaltene Reproduktionsfunktion Hirntoter, 5) Symmetrie von Hirntod und Embryonalphase, 6) Gleichsetzung des intensivmedizinisch erhaltenen Restorganismus Hirntoter mit dem lebenden Menschen.Keine dieser Thesen hält einer kritischen Analyse stand. In Deutschland wird das Ganzhirntodkriterium angewendet. Der Hirntod geht mit dem völligen Ausfall jeglicher Empfindung, Bewusstheit, Mimik, Augen‑, Zungen- und Schlundmotorik, Willkürmotorik und Sexualfunktion einher (funktionelle „Enthauptung“). Medizinisch-technisch können andere Organe bzw. ihre Primitivsteuerung ersetzt werden, nicht aber das Gehirn. Das Gehirn, nicht der Körper, ist bestimmend für das menschliche Individuum. Die Gleichsetzung des künstlich erhaltenen Restorganismus, naturphilosophisch als lebendiges System interpretierbar, mit dem Organismus desselben lebenden Menschen wird durch die beliebige Reduzierbarkeit der Anzahl beteiligter Organe ad absurdum geführt. Der irreversible Hirnfunktionsausfall führt unausweichlich zum Herzstillstand, unbehandelt innerhalb von Minuten, unter Intensivtherapie i. d. R. innerhalb von Tagen. Auch beim Embryo/Fötus führt die Fehlanlage des gesamten Gehirns zum (vorgeburtlichen) Tod. Die in Deutschland gesetzliche Richtlinie zur Hirntodfeststellung hat eine im internationalen Vergleich hohe Diagnosesicherheit, es sind damit keine bestätigten Fehldiagnosen aufgetreten.