ZusammenfassungDer Sekundärnutzung klinischer Daten wird großes Potenzial für den wissenschaftlichen Fortschritt der Biomedizin und Krankenversorgung zugesprochen, welches im Rahmen von datensammelnden, nicht-interventionellen Forschungs- oder Lernaktivitäten ausgeschöpft werden könnte. Doch was kann man unter dieser Art von Forschungs- oder Lernaktivitäten verstehen? Welche Potenziale und Herausforderungen bergen sie konkret? Welche Risiken gehen mit diesen Aktivitäten einher und wie können diese Risiken reduziert werden? Diesen Fragen widmet sich der vorliegende Artikel.
Im ersten Abschnitt wird zunächst mit einem begriffsanalytischen Ansatz Klarheit bzgl. des Begriffs der Sekundärnutzung klinischer Daten in datensammelnden, nicht-interventionellen Forschungs- oder Lernaktivitäten geschaffen, um danach anhand konkreter Studientypen die Vielfalt dieser Aktivitäten zu illustrieren und in drei Anwendungsfelder zu kategorisieren. Im nächsten Abschnitt werden forschungsökonomische, forschungsmethodische und forschungsethische Nutzenpotenziale analysiert, sowie solche für die Erforschung einzelner Erkrankungen. Die Herausforderungen für datensammelnde, nicht-interventionelle Forschungs- oder Lernaktivitäten werden im Bereich der Datenqualität- und Vollständigkeit, der Interoperationalisierbarkeit und in möglichen, den Daten inhärenten, Verzerrungen (Bias) identifiziert. Im Anschluss werden mögliche Risiken für Patienten genannt, insbesondere Risiken der Re-Identifikation und des Datenmissbrauchs, Gefahren für das Vertrauen in der Arzt-Patientenbeziehung und das Wecken falscher Hoffnungen. Mögliche Risiken für Ärzte und Institutionen hingegen bestehen in einem möglicherweise erhöhten Dokumentationsaufwand und in der Gefahr eines (unfairen) Vergleiches von Leistungs- und Kostendaten unterschiedlicher Behandler oder Institutionen. Der letzte Abschnitt geht auf mögliche Maßnahmen zur Verringerung der genannten Risiken ein: eine systematischen Risikoabschätzung, welche darauffolgende technisch-organisatorische Maßnahmen zur Risikoreduktion informiert; die Einrichtung von Use and Access Committees; Patientenaufklärung und Widerspruchsmöglichkeit.
Die im Artikel aufgezeigten Aspekte können und sollten von Gremien bzw. Personen in Betracht gezogen werden, die sich mit der ethischen Prüfung oder Bewertung möglicher Sekundärnutzungen klinischer Daten in datensammelnden, nicht-interventionellen Forschungs- oder Lernaktivitäten beschäftigen.