Aage A. Hansen-Löve ZW ISC H EN PSYCHO• UND KUNSTANALYTIK Auch Jean Starobinski bemerkt die mehr als zurückhaltende Einstellung Freuds zur Kunst und zitiert einen weiteren erstaunlichen Satz, der an diese Stelle paßt. Für Freud 1 st nach eigenen Worten "die Kunst fast immer [warum -fragt sich hier -fast?] harmlos und wohltätig, sie will nichts anderes sein als Illusion. Außer bei wenigen Übergriffen ins Reich der Realitäten" (I, 588; vgl. Jean Starobinski 1973, 98), deren Sache Freud nicht müde wird zu vertreten, wenn er das Hohe Lied des Realitätsprinzip und seiner Göttin - der Аѵ^укт! -anstimmt. Da wo die Kunst anfängt, den Sinn zu verweigern, aus der Sphäre des Phantasierens heraustritt, wie sie dies ganz massiv in der Moderne tut -verliert sie für Freud ihre fiktionserzeugende Funktion als ersatzweise Wunscherfüllung, jenes Spielerische der Eingeborenen einer archaischen oder narzißtischen Welt. Das Scheitern dieser Illusion angesichts der strengen Anangke steht somit am Ursprung der Kunst, ja der ganzen Kultur.Deutung bedeutet für Freud grundsätzlich das Herausfinden von "Sinn und Inhalt des im Kunstwerk Dargestellten" (ibid., 173). Die scheinbare Absenz dieses Inhaltlichen in der Musik (und sagen wir es gleich dazu: auch in der Poesie) macht diese deutungs-und daher letztlich bedeutungslos -wir erinnern uns hier an die Musikverachtung Musils, der die kollektive Aufregung in der Oper angesichts der mehr als fragwürdigen Libretti nicht verstehen will: auch eine Verweigerung sich mit etwas zu identifizieren, das im Zustand unsublimierter, also unerlöster Materialität - und sei es des schönsten Klingens - verharrt.Die Ratlosigkeit des Kunstbetrachters Freud angesichts der Inhalts-und damit Be-Deutungsleere der "reinen Künste" steht somit in befremdlichem Gegensatz zur Wirkung seiner sprachpsychologischen Ideen, die eben den Blick für die reinen Signifikanten des Künstlerischen -wie wir ihn bei Lacan finden -ermöglicht hat. "Die ästhetische Würdigung des Kunstwerks sowie die Aufklärung der künstlerischen Begabung kommt [...]a ls Aufgabe für die Psychoanalyse nicht in Betracht" -lesen wir in Freuds "Kurzem Abriß der Psychoanalyse" (XIII, 425). Der Künstler bleibt das Rätsel und Skandalon der Psychoanalyse schlechthin -er ist eine strukturelle Weiblichkeit, die sich in die sublime Bildungswelt allegorischer Museen verirrt hat: Und hier haust eben das eigentlich Hermetische -hinter den hermeneutischen Repräsentationsbauten mit ihren Karyathiden, denen Andrej Belyj in seinem Petersburg-Roman ein Denkmal gesetzt hat.Nicht umsonst liebte Freud -neben der Plastik -die Architektur, in deren Rahmen man -von Allegorie zu Allegorie schreitend - straflos in die Archäologie regredieren konnte. Dagegen kommt Panik auf angesichts der Deutungsverweigerung des Künstlerischen selbst, dem Freud bebend entgegenhält: "Das Werk muß doch diese Analyse ermöglichen, wenn es der auf uns wirksame Ausdruck der Absichten und Regungen des Künstler ist.." (X, 173).
Vorbemerkung zum ThemaZur psycho-poedschen Gemeinsamkeit gehören des ...