Ein Drittel aller Diabetespatienten erleidet im Verlauf der Erkrankung eine Nervenschädigung, in den allermeisten Fäl-len in Form einer peripheren sensomotorischen Polyneuropathie [20]. Sie stellt für alle Betroffenen ein prognostisch ungüns-tiges Zeichen quoad vitam dar, ist bei bis zur Hälfte der Patienten mit behandlungsbedürftigen Beschwerden verbunden und hat sehr häufig ein neuropathisches Fuß-syndrom zur Folge.Die seltene, zumeist asymmetrische, motorische Mononeuropathie (diabetische Amyotrophie) führt zwar akut zu sehr beeinträchtigenden Beschwerden (Schmerzen, Muskelschwäche bis zu Läh-mungen und Atrophien), zeichnet sich aber im Langzeitverlauf durch eine güns-tige Prognose aus, sodass sie nicht im Brennpunkt des therapeutischen Interesses der Diabetologen steht.Störungen autonomer Funktionen können apparativ sehr häufig nachgewiesen werden. Symptomatische autonome Neuropathien sind selten und werden symptombezogen behandelt. Beschwerden und Komplikationen der symmetrischen sensomotorischen peripheren Polyneuropathie zwingen den behandelnden Arzt, sich Rechenschaft über die Möglich-keiten der langfristigen Prävention oder Behandlung der Nervenschädigung und der Linderung von akuten Beschwerden zu geben. Die Maßnahmen, die notwendig sind, um langfristig das Auftreten von Komplikationen der manifesten Neuropathie, vor allem des diabetischen neuropathischen Fußsyndroms zu verhindern, werden hier nicht dargestellt. Etwa 3 Jahre nach der letzten Übersicht in dieser Zeitschrift schien eine Aktualisierung gerechtfertigt [24].
Möglichkeiten der medikamentösen Prävention und Behandlung der NeuropathieEine wirksame medikamentöse Präven-tion oder Behandlung würde durch die Kenntnis der zur Nervenschädigung füh-renden Pathomechanismen erleichtert. Einigkeit besteht darin, dass der Hyperglykämie die größte Bedeutung zukommt, aber auch andere Risikofaktoren, die für makro-und mikroangiopathische Komplikationen identifiziert wurden, wie arterielle Hypertonie und Fettstoffwechselstö-rung, von Bedeutung sind. Inwieweit die aus Tiermodellen entwickelten pathophysiologischen Modelle, die diese Noxen in den molekularen Maßstab übertragen, für die menschliche Neuropathie von Bedeutung sind, ist weitgehend unklar.E Die Kenntnisse zur Prophylaxe diabetischer Nervenschädigungen sind begrenzt, beziehen sich ausschließlich auf die Stoffwechselnormalisierung und sind nur bei Typ-1-Diabetes aussagekräftig.Substanzen, die in möglicherweise wichtige pathogenetische Mechanismen der menschlichen diabetischen Neuropathie eingreifen, sind bislang nicht prophylaktisch eingesetzt worden.
Stoffwechseleinstellung bei Typ-1-DiabetesDas prophylaktische Potenzial einer normoglykämischen Stoffwechseleinstellung wurde im "Diabetes Control and Complications Trial" (DCCT; [11, 12, 13]) bei Typ-1-Diabetes-Patienten untersucht. Eine über Jahre anhaltend verbesserte Stoffwechseleinstellung reduzierte das relative Risiko für das Auftreten einer Neuropathie -gemessen an den Ergebnissen neurologischer Untersuchungen, autonomer Reflextests und neurophys...