Frauenlieder des 15. und 16. Jahrhundertseine Einleitung Die Literaturgeschichte des deutschen Mittelalters steht, wie es scheinen mag, bis heute fiir Frauen unter einem ungi.instigen Stern. Abgesehen von Mystikerinnen wie Hildegard von Bingen, Elisabeth von SchOnau, Mechthild von Magdeburg, Gertrud der GroBen, Christine Ebner und vielen anderen mehr, und zwei mehr oder weniger als Ubersetzerinnen zu bezeichnenden Fi.irstinnen aus dem Spatmittelalter, Eleonore von Osterreich und Elisabeth von Nassau-Saarbri.icken, verzeichnen die Annalen praktisch keine Namen von Frauen, die aktiv am LiteraturprozeB teilgenommen hatten. 1 Der modeme Feminismus auf beiden Seiten des Atlantiks hat nati.irlich die altere Forschung, die davon ausging, da/3 zu jener Zeit in Europa allein Manner literarisch tatig waren, eines Besseren belehrt, aber die in diesem Zusammenhang stets zitierten herausragenden Beispiele von Frauendichtung stammen aus West-und Si.ideuropa, und auch diese Werke entstanden meist erst in der Zeit der Renaissance, des Barock und der Klassik. Es fiele uns zwar selbst heute recht schwer, eine Frau des 18. oder 19. Jahrhunderts zu identifizieren, die Schulter an Schulter mit Goethe oder Schiller stehen konnte, aber dennoch ist die Zahl der weiblichen Schriftsteller und Autoren aus jener Epoche, und hier sogar bezogen auf den deutschen Sprachbereich, beachtlich. Einige der bedeutendsten waren: Sophie von