Trotz der seit über 100 Jahren währenden Forschungsbemühungen im konstruktiven Betonbau basiert die Bemessung gegen Biegeschubversagen für Bauteile ohne Querkraftbewehrung nach EC2 auf einer empirischen Gleichung. In der jüngeren Vergangenheit wurde deutlich, dass dieser Ansatz insbesondere hinsichtlich des Maßstabseffekts, der Berücksichtigung des einwirkenden Moments und des Größtkorns Defizite aufweist. Außerdem zeigte sich, dass der Ansatz für Bauteile unter Zugbeanspruchung konservativ ist, was z. B. für die Bemessung und Nachrechnung von Betonsilos problematisch ist. Aus diesem Grund wurde im Rahmen der Dissertation des Autors ein mechanisch basierter Ansatz hergeleitet, der die genannten Probleme lösen soll. Der Ansatz basiert auf der Annahme, dass eine konstante Schubspannungsübertragung über einen Biegeriss notwendig ist, um die wesentlichen Gleichgewichtsbedingungen am Betonzahn zu erfüllen. Der Ausfall des hierfür erforderlichen Mechanismus, der Rissverzahnung, ist somit ursächlich für das Biegeschubversagen. Anhand eines Rissverzahnungsgesetzes wurden geschlossene Lösungen für die Biegeschubtragfähigkeit von Stahlbetonbalken unter Berücksichtigung von Normalkräften hergeleitet. Der Vergleich mit Querkraftversuchen aus Datenbanken zeigt, dass die Effekte aus einwirkendem Moment, Maßstab und gleichzeitig wirkenden Zug‐ und Drucknormalkräften zufriedenstellend berücksichtigt werden. Das Bemessungsniveau des Ansatzes wurde anhand von probabilistischen Untersuchungen nach DIN EN 1990 nachgewiesen, womit dieser auch in der Praxis angewendet werden kann.