Zusammenfassung
In einer Versuchsreihe mit 24 Tierpassagen und 596 Tieren wurde die Übertragbarkeit und die bei den Versuchstieren entstandenen patho‐morphologischen Veränderungen eines von einem Spontanfall einer Lymphomatose (lymphoide Stammzellensarkome) isolierten Erregerstammes (CL V) untersucht. Dabei wurden die Ergebnisse der Übertragung von frischen Gewebshomogenisaten, die in physiologischer Kochsalzlösung in unterschiedlicher Konzentration suspendiert waren, eingehend geprüft und kritisch ausgewertet.
Die Ergebnisse waren folgende:
1. Der isolierte Stamm (CL V) zeigte eine hohe Infektiosität, die aber nicht in allen Passagen gleichbleibend war, sondern immer wieder Schwankungen erkennen ließ.
2. Das patho‐morphologische Zellsubstrat war in allen Tierpassagen gleichartig und bestand ausschließlich aus großen lymphoiden Rundzellen vom Typ indifferenter mesenchymaler Stammzellen (lymphoide Rundzellen), welche sich besonders bei einem diffusen Ausbreitungsmodus extravaskulär und intravaskulär mit ausgeprägter und infiltrativer und expansiver Wuche‐rungstendenz ansiedeln und die betroffenen Organparenchyme vollständig überwuchern können.
3. Im Verlaufe der Übertragungsversuche konnten wir im wesentlichen drei Verlaufsformen unterscheiden. Es waren dies:
a) eine akute und schnell verlaufende diffuse Form der Lymphomatose, die im Durchschnitt etwa 16,3 Tage für ihre Entwicklung benötigte;
b) eine mehr nodöse bis geschwulstartige und protrahiert verlaufende Form der Lymphomatose, die im Durchschnitt etwa 27,8 Tage bis zu ihrer Entwicklung benötigte und
c) eine mehr chronisch verlaufende Form, welche durch solitär auftretende mehr expansiv wachsende lymphoide Rundzellensarkome gekennzeichnet war und deren Entwicklungsdauer im Durchschnitt bei 43,6 Tagen lag.
Eine echte Variabilität der Organveränderungen und des pathologischen Zellsubstrates, wie sie von zahlreichen Autoren im Verlaufe experimenteller Untersuchungen mit Geflügelleukosevirus beobachtet und beschrieben worden sind, konnte in unserem Fall nicht beobachtet werden. Ebenso kam es nur in ganz wenigen Fällen zu einer Affektion des peripheren Nervengewebes, so daß eine enge kausale Beziehung zwischen dem von uns isolierten Lymphomatosestamm und den sog. Neuro‐Lymphomatosen (Marek'sche Hühnerlähme, lymphoidzellige Neuroretikulose u. a.) nicht zu bestehen scheinen. Auch Osteopetrosis und die sog. okuläre Lymphomatose wurde nicht beobachtet.
Bei der Lymphomatose oder lymphoiden Stammzellensarkomatose handelt es sich um einen typisch geschwulstartigen sarkomatösen Prozeß, der sich auf der Grundlage einer kanzerösen Entartung primitiver Mesenchymzellen (lymphoide Rundzellen oder Stammzellen) ausgebildet hat. Eine histogenetische Beziehung dieser Zellen zu den Lymphoblasten, Lymphozyten oder Erythroblasten läßt sich aufgrund der histologischen Befunde bei der experimentellen Stammzellensarkomatose nicht nachweisen. Die Lymphomatose oder lymphoide Stammzellensarkomatose (Rundzellensarkom) ist nach unserer Auffassung deutlich von den Hämoblastosen im eigentliche...