Grundlagen ! Historie Schon die Römer wussten um die Lebensmittelvergiftung, die wir als Botulismus bezeichnen. 1817 beobachtete und beschrieb der Arzt und Dichter Justinus Kerner den Zusammenhang zwischen dem Verzehr von Würsten und den typischen Symptomen [1]. Er beobachtete Bauern, die nach dem Verzehr ihrer Wurstkonserven starben. Die Symptome nach akzidentellem Genuss betreffen zuerst die Augen mit Akkommodationslähmung (Verschwommensehen), Augenmuskelstörungen (Doppeltsehen), zufallenden Lidern und Mydriasis. Im weiteren Krankheitsverlauf sind Lippen-, Zungen-, Gaumen-und Kehlkopfmuskel betroffen, es kommt zu Mundtrockenheit, Sprach-und Schluckstörungen. Der Betroffene bekommt typischerweise kein Fieber. In schweren Fällen breitet sich die Lähmung vom Kopf absteigend auf die Muskulatur der inneren Organe aus, es kommt zu Erbrechen, Durchfall, später Verstopfung und Bauchkrämpfen, schließlich durch Lähmung der Herz-und Atemmuskulatur zum Tod durch Ersticken oder Herzstillstand. Ausgelöst werden die Symptome durch ein unter anaeroben Bedingungen gebildetes Toxin des Bakteriums Clostridium botulinum. Clostridium botulinum bzw. seine Sporen sind in der Umwelt weit verbreitet und äußerst widerstandsfähig gegen Hitze, Frost und Austrocknen. Im Boden können sie sehr lange überdauern. Unter anaeroben Bedingungen keimen sie aus und setzen das Gift Botulinumtoxin frei, eines der gefährlichsten biologischen Gifte. Streng genommen ist Botulinumtoxin eine Sammelbezeichnung, denn es werden acht Subtypen von Botulinumtoxin unterschieden, die teilweise wirtsspezifisch und unterschiedlich stark giftig sind. Clostridium botulinum vermehrt sich rasch in Tierkadavern, selten auch in eiweißhaltigem Pflanzenmaterial. In der Lebensmittelherstellung wird das Wachstum des Bakteriums durch Pökeln verhindert. Verdorbene Lebensmittel stammen meist aus Konserven, in denen sich das anaerobe Botulinumbakterium vermehrt und Botulinumtoxin produziert hat. Auch heute noch führt in vereinzelten Fällen der Genuss von eiweißhaltigen Konserven mit nur schwach saurem oder neutralem Milieu (pH > 4,5), wie z. B. Bohnen oder Wurstwaren (lat: botulus = Wurst), zu unterschiedlich stark ausgeprägten Lähmungserscheinungen. Die Konserven sind dann in der Regel aufgebläht (Bombage). Bekannt sind jedoch auch Fälle, in denen vor allem Säuglinge mit Honig Sporen des Botulinumbakteriums aufgenommen haben, die erst im Darm aktiviert wurden, sich dort vermehrten und dadurch zu einer Vergiftung führten [2]. Die orale Aufnahme der in der Natur z. B. in Honig vorkommenden Bakteriensporen führt jedoch nur äußerst selten bei empfindlichen Menschen und Säuglingen zu einer Infektion mit anschließenden Vergiftungssymptomen. Botulismus und der Verdacht auf Botulismus sind meldepflichtig. Justinus Kerner war der erste, der einen potenziell therapeutischen Nutzen bei muskulärer Überaktivität wie der Chorea minor in Erwägung zog [3]. Erst in den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts wurde dieser Gedanke erneut aufgegriffen. Dies geschah durch den Augenarzt A. B. Scott aus ...