Biographinnen und Biographen stehen öfter unter Rechtfertigungsdruck-besonders dann, wenn sie über Personen schreiben, die eine biographische Thematisierung ihrer selbst ablehnten. Aus diesem Grund stellte der Literaturwissenschaftler Sven Hanuschek seiner Biographie Elias Canettis eine Auseinandersetzung mit dem von ihm so benannten "antibiographischen Affekt" voran: Obgleich (oder vielleicht auch weil) Canetti selbst eine "große Autobiographie" verfasste, hatte er "Vorbehalte gegen Biographien, vor allem gegen solche, die ihn zum Gegenstand haben sollten" (Hanuschek 2005: 21). Immer wieder findet man bei ihm "polemische Bemerkungen" zur Gattung Biographie, Skepsis gegenüber deren Autorinnen und Autoren ("professionelle Leser, Literaturkritiker und Germanisten"), Abscheu vor psychologischer Simplifizierung, Einwände gegen die Offenlegung des Privatlebens und auch eine Art "Kontrollzwang die eigene Person betreffend". 1 Elias Canetti hatte wahrscheinlich auch in diesem Zusammenhang jahrelang "Die Fackel im Ohr"-so der Titel des zweiten Teils seiner umfangreichen "Autobiographie ohne autobiographisches Subjekt" (Hanuschek 2005: 17-30). Er rezipierte die radikale Gesellschafts-und Medienkritik des Wiener Satirikers Karl Kraus (1874-1936). Von möglichen Einflüssen auf Canettis "Biographiephobie" ausgehend, soll hier den Fragen nachgegangen werden, ob solch ein "antibiographischer Affekt" auch für und um Karl Kraus angenommen werden muss, wie sich sein "autobiographisches Leben" gestaltete und wie das Zusammenspiel von "Authentizität" und Selbstinszenierung sowie ein gewisser Geniekult das auto/biographische und teilweise antibiographische Schreiben um Kraus beeinflussten. Die Debatte um "Authentizität" versus satirische Selbstinszenierung muss dabei am Anfang stehen. Gerade in der frühen Kraus-Forschung wurde die Fackel, die Kraus zwischen 1899 und 1936 herausgab und ab 1911 allein schrieb, sehr eindeutig als autobiographischer Text-in der Art eines Tagebuchs oder dokumentarischen Berichtes-gelesen und bewertet. Wenn Leopold Liegler, der erste autorisierte Kraus-Biograph, über eine Kraus-Monographie nachdachte, dann war es eigentlich sein Vorhaben, "eine Geschichte der ‚Fackel' zu schreiben" (Liegler 1983). Auch für die