Körperliche Aktivität hat bei Brustkrebserkrankten vielfältige positive Effekte auf die körperliche und psychische Gesundheit. Sie werden diesbezüglich jedoch oft nicht ausreichend beraten, u.a. aufgrund fehlenden Wissens unter Behandelnden. Offene Fragen umfassen das Spektrum möglicher körperlicher Aktivitäten und die Abhängigkeit des Bewegungsverhaltens von verschiedenen Behandlungsaspekten. Der zunehmende Einsatz technischer Aktivitätsmessung und widersprüchliche Forschungsergebnisse erfordern die Klärung von Übereinstimmung und Unterschieden zwischen selbstberichteten und technisch erfassten Bewegungsdaten. Psychisches Befinden ist ein multidimensionales Konstrukt und nicht jeder Indikator ist gleich stark mit körperlicher Aktivität assoziiert. Zudem wird dieser Zusammenhang über verschiedene Mechanismen vermittelt, die jeweils von spezifischen Charakteristika körperlicher Aktivität begünstigt werden könnten. Daher wird in der vorliegenden Arbeit untersucht, welches beratungsrelevante Wissen über körperliche Aktivität während der Chemotherapie gegen Brustkrebs existiert. Das Bewegungsverhalten von (Brust )Krebspatient:innen wird in seiner Zusammensetzung beschrieben und auf Unterschiede je nach Behandlungssetting, Behandlungsform und Abstand zu Behandlungsbeginn sowie auf Zusammenhänge mit unterschiedlichen Indikatoren psychischen Befindens überprüft. Dabei wird evaluiert, inwiefern selbstberichtete und technisch erfasste Bewegungsdaten beim Überprüfen der Einhaltung von Bewegungsempfehlungen und in ihrem Zusammenhang mit psychischem Befinden übereinstimmen. Abschließend wird geprüft, ob körperliche Aktivität bei Alltagstätigkeiten, in natürlicher Umgebung, in Gesellschaft und in der Freizeit jeweils über den Gesamtbewegungsumfang hinaus Varianz von psychischem Befinden aufklären. Die beschriebenen Fragestellungen wurden in einem Review und zwei Originalstudien untersucht. Studie A war als zweiwöchige Querschnittsstudie konzipiert, Studie B als prospektive Kohortenstudie mit vier Datenerhebungswochen innerhalb eines halben Jahres. Die Studienteilnehmer:innen entstammten erwachsenen klinischen Populationen: 50 Patient:innen mit Krebserkrankungen ohne Metastasen (n = 29 [58%] männlich; Alter: M = 59.7 Jahre, SD = 11.2 Jahre; 25 aus einer Rehabilitationsklinik, 25 aus einer ambulanten Tagesklinik) und 99 Frauen (Alter: md = 50 Jahre, IQR: 45 bis 56 Jahre) mit erstdiagnostiziertem Carcinoma in situ oder nicht-metastasiertem Mammakarzinom ab dem Beginn von Strahlen- oder systemischer Therapie. Körperliche Aktivität wurde über Bewegungsprotokolle und über einen wearable activity monitor (Garmin® vivofit 3) erfasst. Als Indikatoren für psychisches Befinden wurden gesundheitsbezogene Lebensqualität, Funktionsskalen und Symptombereiche, Fatigue, Angst und Depression im Selbstbericht erhoben. Als Ergebnis der Literaturstudie wurden Wirkungswege und Effekte körperlicher Aktivität, empfohlenes und tatsächliches Bewegungsverhalten von Brustkrebspatientinnen und die Position von Behandelnden berichtet, außerdem mögliche Aktivitätsformen, Kontraindikationen und der Umgang mit subjektiven Hindernissen. Die empirischen Daten erbrachten, dass selbstberichtete und technisch erfasste Bewegungsdaten mäßig darin übereinstimmten, welche Brustkrebspatientinnen Bewegungsempfehlungen einhalten. Technisch erfasster Bewegungsumfang korrelierte stärker mit psychischem Befinden, dagegen zeigte nur der Selbstbericht Unterschiede zwischen dem Bewegungsverhalten verschiedener Gruppen von Brustkrebspatientinnen. Trotz Hinweisen auf einen geringeren Bewegungsumfang in Behandlungswoche 18 und unter Chemotherapie wurden damit keine konsistenten Unterschiede im Bewegungsumfang von (Brust )Krebspatient:innen je nach Behandlungssetting, Behandlungsform und zeitlichem Abstand zu Behandlungsbeginn nachgewiesen. Bewegungsumfang und psychisches Befinden korrelierten bei Patientinnen mit erstdiagnostiziertem Brustkrebs, nicht aber in der Gruppe mit gemischten onkologischen Diagnosen, die Korrelationsstärke unterschied sich je nach verwendetem Indikator psychischen Befindens. Varianzaufklärung für psychisches Befinden war vor allem durch körperliche Aktivität in Gesellschaft und schwächer durch körperliche Aktivität bei Alltagstätigkeiten möglich, während körperliche Aktivität in natürlicher Umgebung und in der Freizeit keinen Beitrag zur Varianzaufklärung lieferten. Die Befunde implizieren, dass behandlungsabhängige Unterschiede im Bewegungsumfang von (Brust )Krebspatientinnen gegenüber interindividuellen Schwankungen in den Hintergrund treten. Selbstberichtete und technisch erfasste Bewegungsdaten müssen als nicht-äquivalent betrachtet werden, können sich dafür aber im Forschungskontext ergänzen. Gleiches gilt für die untersuchten Indikatoren psychischen Befindens, die unterschiedlich stark mit körperlicher Aktivität zusammenhingen. Verschiedene Wirkmechanismen körperlicher Aktivität bieten hier einen Forschungsansatz für mögliche Gründe, wobei unter Brustkrebspatientinnen vor allem sozialer Kontakt und das Empfinden von Selbstwirksamkeit zentral scheinen. Limitationen (z.B. Selektionseffekte, Beschränkung auf Beobachtungsstudien, Rückschluss von objektiven Bewegungsmerkmalen auf Erleben) und Stärken der Studien (niedriger Dropout, Triangulation, Integration verschiedener Forschungsrichtungen) sind bei der Interpretation der Ergebnisse zu berücksichtigen. Für die onkologische Behandlung implizieren die vorliegenden Befunde, dass Patient:innen ein weites Spektrum körperlicher Aktivitäten empfohlen werden kann. Psychisches Befinden sollte anhand unterschiedlicher Indikatoren abgefragt werden, da einzelne Indikatoren neben dem Gesamtumfang körperlicher Aktivität unterschiedlich durch körperliche Aktivität in Gesellschaft und bei Alltagstätigkeiten begünstigt werden könnten. Für die Empfehlung von körperlicher Aktivität in natürlicher Umgebung und in der Freizeit stellen die vorliegenden Daten dagegen keine Evidenz dar.