Zur Klassifikation der russischen Verben
EinleitungDie Flexion der russischen Verben ist bekanntlich einer der schwierigsten Bereiche der Formenbildung des Russischen, teils wegen grammatischer Kategorien, die das Deutsche nicht kennt (Aspekt!), teils wegen morphologischer und morphonologischer Erscheinungen, die das Deutsche nicht oder so nicht kennt und natürlich auch wegen des Akzentes, der im Russischen anderen Regeln unterliegt als im Deutschen.So ist es verständlich, daß wohl in jeder Grammatik zu einer reinen Beschreibung der Formenbildung eine Klassifikation der Verben hinzutritt, um in diesem Bereich größere Klarheit zu schaffen. Damit ist schon das Ziel einer Verbklassifikation angesprochen: Eine solche Klassifikation ist nicht Selbstzweck, sondern soll helfen, die grundlegenden Strukturen des untersuchten Bereiches aufzuzeigen und einsichtig zu machen, um die Grundprinzipien, nach denen die Formenbildung erfolgt, besser verstehen zu können.Die Slawistik und Russistik hat in bezug auf Verbalklassifikationen eine lange Tradition aufzuweisen, auf die ich an dieser Stelle nicht im einzelnen eingehen will. Erwähnt sei nur, daß die ersten Klassifikationen diachron, d.h. historisch ausgerichtet waren, während es der neueren strukturalistischen Sprachwissenschaft um eine synchrone Klassifikation geht.KEILs ausführliche Analyse der gegenwärtigen Situation ist immer noch gültig (vgl. 1979) und damit auch, was ISACµ ENKO in seiner "Formenlehre" beklagt: "Leider ist es noch nicht gelungen, für das russische Verb ein einheitliches, vor allem in der Sowjetunion selbst allgemein anerkanntes Klassifikationsschema zu finden." (1975, 221) Mit anderen Worten: so viele Grammatiken man aufschlägt, so viele Klassifikationen wird man auch finden. Selbst solche anscheinend einfachen Dinge wie die Einteilung der Verben in solche der e-und der i-Konjugation sind durchaus nicht allgemein akzeptiert: einige Forscher plädieren für drei Konjugationen (z.B. ISACµ ENKO und KEIL, aber jeweils für verschiedene!), andere kommen bei Zugrundelegung strenger Kriterien auf bis zu 7 Konjugationen für das russische Verb (vgl. z.B. PI-ROGOVA 1969).