1 Bautechnikgeschichte in Deutschland -Selbstverständnis und neuere Entwicklungen Der 28. Juni 2013 markiert einen wichtigen Einschnitt für die Bautechnikgeschichte in Deutschland und den deutschsprachigen Nachbarländern: 85 Persönlichkeiten unterschiedlicher Herkunft begründeten im Rahmen eines festlichen Konvents in Berlin die "Gesellschaft für Bautechnikgeschichte" (Bild 1). Im Vorfeld der Gründung war es zu lebhaften und teilweise sehr kontroversen Diskussionen über Namen und Satzung der neuen Vereinigung gekommen. Der Diskurs, aus dem ja die künftigen Praktiken der Gesellschaft erwachsen sollten, kreiste um das Selbstverständnis einer Bautechnikgeschichte am Beginn des 21. Jahrhunderts. Wo verortet sie sich im Kontext des mehr oder weniger traditionellen Disziplingefüges der Geistes-, Kultur-und Sozialwissenschaften? Wo sieht sie sich insbesondere zwischen Bauingenieurwesen, Architektur und Denkmalpflege? Wo legt sie ihre Schwerpunkte im weiten Terrain der Praktiken und Produkte des Konstruierens? Wie bezieht sie sich auf die zunehmend bedeutenden Bauaufgaben im historischen Kontext? Wo positioniert sie sich zwischen Grundlagen-(Theorie) und angewandter Wissenschaft (Praxis) und überhaupt hinsichtlich ihrer Erkenntnisinteressen, Kommunikationsformen und Zielrichtungen? Als erstaunlich groß erwies sich die Vielfalt derer, die sich in Deutschland der Bautechnikgeschichte verbunden fühlen und dazu lehren, forschen oder publizieren. Bereits traditionell bedeutsam ist die Verankerung in den unmittelbar dem Bauen verpflichteten Disziplinen Bauingenieurwesen, Architektur, Denkmalpflege und Archäologie und ihren im engeren Sinne konstruktionsbezogenen Aufgaben und Fragestellungen. Die Facetten des disziplinären Zugangs reichen indes weit darüber hinaus. Sie untersuchen die Wissenschafts-und Wissensgeschichte von Bautechnik, fragen mit kunstgeschichtlichen Methoden nach technischen Ikonologien oder den Produktionsbedingungen von Baukunst, thematisieren in Firmengeschichten wirtschafts-und sozialgeschichtliche Aspekte oder nutzen neue Forschungsansätze und -methoden der Kulturwissenschaften zur Erkundung der kulturellen Bedingtheit bautechnischen Handelns individueller Akteure oder sozialer Gruppen. Die Diskussionen im Vorfeld der Gesellschaftsgründung erteilten denn auch einer zu engen, nur einzelnen Bau-Fächern verpflichteten Begriffsbestimmung eine deutliche Abfuhr. Vielmehr herrschte Konsens darüber, dass die disziplinäre Vielfalt und das damit verbundene syn-In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat Bautechnikgeschichte in der deutschen wie in der internationalen Wissenschaftslandschaft auf vielen Ebenen an Gewicht und Prägnanz gewonnen, in Lehre und Forschung ebenso wie in Publikationen, Tagungen und Vortragsreihen. 2004 war ein erster Statusbericht "Construction History in Europe" erschienen, zu dem Karl-eugen Kurrer einen Überblick zum Stand und zu den Perspektiven der Bautechnikgeschichte in Deutschland, Österreich und der Schweiz beigetragen hatte. Im Folgenden wird über die disziplinäre Ausdifferenzierung, di...