Wilhelm Ostwald und die chemische ThermodynamikEin Bericht zum 125. Geburtstag von Wilhelm Ostwald, der die Entwicklung thermodynamischer Arbeiten in dem von ihm gegrundeten Institut uber einen reprasentativen Zeitraum hinweg widerspiegeln 8011, hat wohl mit der Frage zu beginnen, welches Vermiichtnis uns OstwuZd auf dem Gebiete der Thermodynamik hinterlassen hat und welche Verpflichtungen uns sein Vorbild hinsichtlich der aktiven Pflege dieser Wissenschaftsdisziplin etwa auferlegt . Ostwuld hat sich stets mehr der theoretischen Durchdringung als der meBtechnisch-experimentellen Bearbeitung thermodynamischer Probleme gewidmet. Die Vbersetzung der fundamentalen Arbeit von J . W . Gibbs [l] sowie die damit einhergehende Beschaftigung mit der thermodynamischen Betrachtungsweise bei der Interpretation stofflicher Zustlnde und Vorgange haben Ostwdds wissenschaftliche ,4rbeiten stark beeinfluBt, so z. B. die Untersuchungen zur chemischen Verwandtschaft, zur Theorie der Elektrolytlosungen, zur Katalyse usw. I n seine, Lehrbuchern bemiihte er sich, zahlreiche Phiinomene und Zusammenhange auf der Grundlage der thermodynamischen Theorie zu deuten und begrifflich zu fixieren. Bekanntlich sind in Verbindung mit seinem Namen folgende Begriffe und Definitionen in die Literatur eingegangen: Ostwaldsche Stufenregel[2], Ostwuldsches Verdunnungsgesetz [3], Ostwuldscher Loslichkeitskoeffizient [4], Perpetuum mobile 2. Art [5], kolligative Eigenschaften (nach Konsultationen von Wundt) [6]. AuBerdem wurde von Ostwald zum ersten Male eine Systematik moglicher Typen von Totaldampfdruckkurven biniirer [3] und terniirer [7] Gemische aufgestellt und diskutiert. Der Begriff der ,,uniiberschreitbaren Linie" ging aus diesen Untersuchungen hervor (siehe hierzu [S]). Die Hervorhebung des Energiebegriffs, er hielt ihn fur den allgemeinsten wissenschaftlichen Begriff uberhaupt, der ,,materiellen" wie ,,ideellen" Prozessen glei-chermaBen zukomme, fuhrte ihn zu seiner philosophischen Auffassung iiber den Energetismus, der heute uberwunden ist. Hingegen wird auch heute noch Ostwalds Ansicht geteilt, die Thermodjmamik habe die Chemie zur exakten Wissenschaft gemacht, ihre Gesetze und Methoden stellten ein wichtiges Bindeglied zwischen der Theorie der Stoffe und der synthetischen Praxis dar [6]. Wenn nachfolgend die im Bereiche des friiheren Physikalischchemischen Instituts die nach 1945 geleistete Forschungsarbeit in ihrer Gesamtheit dargestellt wird, dann sol1 damit zugleich verdeutlicht werden, daB, ungeachtet der inzwischen umfassend perfektionierten Methoden und der erweiterten Erkenntnisse uber die Mannigfaltigkeit thermodynamischer Phanomene jetzt noch wie zu Ostwalds Zeiten gilt: Die Thermodynamik hat analytisch wie prediktiv die Energiebilanz und die Gleichgewichtsverhaltnisse bei allen moglichen Arten von Stoffwandlungen zu erfassen und rnit ihren spezifischen Methoden und Formalismen zur technischen Realisierung entsprechender Prozesse beizutragen. Eine konstruktiv betriebene Forschungstiitigkeit auf dem Gebiete der Thermodynamik mu13 sic...