Zur Zitat-Vernetzung zwischen Ugarit-Texten und Psalmen

Abstract

Neuere Versuche auf dem Gebiet der Interpretation der biblischen Psalmen bieten ein betrachtenswertes Schaupiel von oftmals entgegengerichteten Unternehmungen und dem Bemühen, radikal verschiedenen Aktualisierungserfordernissen zu entsprechen. Das Verlangen, Geschichte und Philologie für die Bestätigungsbedürfnisse der Gegenwart in Anspruch zu nehmen, schafft sich auf diesem engen Gebiet der Bibelwissenschaft gegenwärtig auf zweifache Weise freie Bahn. Dieses Streben nach Erforschung der Geschichte unter dem Diktat der unmittelbaren Ansprüche und wirklichen oder vermeintlichen Bedürfnisse der Gegenwart führt auf jüdischer und christlicher Seite bei einer Reihe von Forschern zu zwei divergierenden Lösungen. Während von einer beträchtlichen Gruppe christlicher Forscher in Absetzving von den Bemühungen der Albright-Schule, ugaritische Texte und die ältesten Psalmen in einem zeitlichen und stilistischen Kondnuum zu sehen, der Kanon des Alten Testamentes und die Kanonwerdung eine Nobilitierung als End-und Fixierungspunkt der historischen Entwicklung erfahren 2 und in diesem Interpretationssystem die Vergangenheit, die Vorgeschichte des Psalmentextes, mehr und mehr in den Hintergrund tritt 3 , ist z.B. auf jüdischer Seite Y. Avishur von dem entgegengesetzten Bestreben geleitet, den Blick in die Vergangenheit zu lenken und folglich zwischen der kanaanäisch 4 -ugaritischen Literatur und den biblischen Psalmen zusammen mit der Albright-Schule und seinen Vorbildern U. Cassuto und S.E. Loewenstamm einen kontinuierlichen Zusam-1 Y. Avishur 1994; Bearbeitung der Erstveröffentlichung in UF 26,1994,225-243. 2 Siehe z.B. M. Miliard 1994, 2-3. 240-245, zum "canonical approach". Im Sinne der kanonischen Auslegung legt z.B. G. Barbiero 1999, 3, "Eine synchrone Analyse von Psalm 1-41" vor. 3 Daß diese christliche Richtung der Interpretation nicht das ganze Feld beherrscht, zeigt z.B. die von Ch. Levin 1993, 356-357, befürwortete These, daß man den Grundbestand nicht weniger Psalmen als eine Spielart der altsyrischen Religionsgeschichte ansehen und geradezu "voralttestamentlich" nennen könne. J.H. Hunter betont, daß im Rahmen einer dekonstruktivistischen Interpretation das literarische Nachspüren (literary tracing) bei biblischen Texten u.a. bis zu ugaritischen Texten zurückführe Q.H. Hunter 1994,57-58). E.S. Gerstenberger 1994, 8-9, betont gegenüber der kanonisch-holistischen Methode, daß sie ihr Einheitskonzept nach rückwärts projiziere und aus den Einzeltexten wohltemperierte, auch sozialkritische, theologische Entwürfe mache, die wir direkt auf uns beziehen könnten. Damit aber werde die Vielfältigkeit der Lebenssituationen, das Fremde, Andersartige, das im damaligen gesellschaftlichen und religiösen Leben Verwurzelte in den Psalmentexten beiseite geschoben und für unwesentlich erklärt. 4 Y. Avishur nimmt noch nicht zu den neueren Versuchen Stellung, das sogenannte Kanaanäische vom Ugaritischen und Israelitischen zu trennen.Brought to you by |