ZusammenfassungUm zu erklären, warum Menschen an Unglücksorten zusehen, werden bisher auf theoretischer Basis biologische, individual- und sozialpsychologische Motive herangezogen. Empirische Untersuchungen in rettungsmedizinischen Kontexten fehlen bislang.In diesem Artikel werden anderen zugeschriebene Beweggründe für das Zuschauen an Einsatzorten erhoben. Zusätzlich wird ermittelt, wie viele Personen qua Selbstauskunft bereits bei Rettungsmaßnahmen zugesehen haben und was die eigenen Beweggründe dafür waren. Diese Beweggründe werden gegenübergestellt und mit bestehenden theoretischen Annahmen abgeglichen.Studie 1 – repräsentative Bevölkerungsbefragungen (t1 n = 1032, t2 n = 1012) im Abstand eines Jahres zu eigenem Zuschauen und Beweggründen bzw. jenen anderer. Studie 2 – Gelegenheitsstichprobe (n = 40) zur Bewertung der in Studie 1 ermittelten Beweggründe.Die Mehrheit der Befragten verneint, selbst an Einsatzorten zugesehen zu haben (t1: 80,1%, t2: 86,9%). Zu t2 berichten 131 Personen (12,95%) von eigenem Zuschauen und nennen ihre eigenen Beweggründe dafür. Insgesamt entsprechen diese weitestgehend den in der notfallpsychologischen Literatur postulierten Motiven. Die Beweggründe anderer werden überwiegend dispositional und abwertend ausdrückt. Dagegen werden eigene Beweggründe stärker selbstwertdienlich und situational formuliert. Die Daten werden vor dem Hintergrund des fundamentalen Attributionsfehlers diskutiert.