Sobald sich in wissenschaftlichen Texten zum einen der Autor verstärkt zur Geltung bringt und zum anderen die Emotionen des Lesers geweckt werden, entsteht genau genommen eine Verletzung der Textsorte. Wissenschaftliche Texte überzeugen idealtypisch durch logisch-sachliche Verfahren, nicht aber mithilfe der Autorität des Verfassers oder durch Appellation an die Gefühle des Lesers -beides gilt ohnehin nicht als legitimes Überzeugungsverfahren, eher als irrationale Überredungs-und Aufmerksamkeitsstrategie. Davon abgesehen, dass sich gerade literaturwissenschaftliche Texte metaphorischer Redeweise, Narrationen und der Evidenz des Beispiels bedienen, tritt in der Praxis zudem nicht selten der Fall ein, dass ethische und affektive Strategien zum Einsatz kommen. Legitim scheint dies deshalb zu sein, weil in den Textwissenschaften der Spielraum für wissenschaftliches Schreiben weit gefasst ist, was daran liegen mag, dass eben nicht nur das Wissen (episteme, scientia), sondern auch die Meinung (doxa) in der Untersuchung entfaltet wird.Wenn sich neben der idealen, szientistisch-logisch vorgehenden Literaturwissenschaft überhaupt eine rhetorische Praxis behaupten konnte, dann als ars bene dicendi. Sie bearbeitet den wissenschaftlichen Text nach den Geboten des schönen Stils, der zwar ästhetisch vereinnahmt, nicht aber das persuasive Moment zentral setzt. Doch auch hier tut sich ein Konflikt mit der Forderung nach Sachbezogenheit auf, weil der wissenschaftliche Text, sobald er schön gestaltet wird, unweigerlich die Sache verschönert.Wenn dieser schöne Stil in besonderem Maße für die historischphilologischen und naturwissenschaftlichen Disziplinen des neunzehnten Jahrhunderts kennzeichnend war, dann lässt sich sagen, dass ihre Vertreter in Theorie und Praxis das Gebot der Sachlichkeit gegen ethische oder affektive Strategien verteidigt bzw. diese der Polemik zugeordnet hätten. 1 Für Franz Saran (1866-1931) war 1907 wissenschaftliche Rede diejenige, "die keine oder || 1 Vgl. die Fallstudie von Lutz Danneberg, Dissens, ad-personam-Invektiven und wissenschaftliches Ethos in der Philologie des 19. Jahrhunderts. Wilamowitz-Moellendorff contra
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