Die Sprache ist ein Primat der Literatur. Nichts in ihr hat mehr Bedeutung, ist die Sprache doch in der Literatur nicht nur technisches Mittel der Kommunikation, sondern auch eigentlicher Gegenstand. Die Sprache ist in einem Materie und Form, Gegenstand und ästhetische Ausbildung der Literatur. In Abwandlung eines Wortes von Johann Georg Hamann könnte man sagen, dass die Sprache das A und O der Literatur ist, ihr ein und alles. Und spätestens seit der Romantik gilt, dass die transzendentalpoetische Funktion wesentlich auch die Reflexion über die Sprache beinhaltet. Die Literatur ist sich förmlich ihrer Sprache bewusst geworden, indem sie sie nicht nur zur (poetischen) Form ihrer Schreibpraxis, sondern auch zum (poetologischen) Gegenstand ihrer Reflexion macht.Die Sprache wird zudem dort in einem gesteigerten Maß elementarer Parameter der Literatur, wo sie kein sicheres Gegebenes mehr ist, wo sie vielmehr erst erarbeitet und begründet werden muss. Das ist nicht nur der Fall in einer Sprachkrise, beispielhaft etwa bei Hugo von Hofmannsthals berühmtem Brief, der präzi-se da allein um die Sprache kreist, wo sie abhanden gekommen ist. Das ist auch der Fall in einer unsicheren kulturellen Disposition von Literatur, in der Sprache nicht a priori gegeben ist, kein einheitliches kulturelles System darstellt und keine homogene Praxis der Rede und des Schreibens erlaubt. Während etwa die simple Vorstellung der Nationalliteratur, wie sie im 19. Jahrhundert begründet wurde, von einer einstimmigen nationalen Literatur ausgeht, die durch eine nationale Sprache definiert ist, sind transnationale Literaturen sprachlich von ungleich komplexerer Anlage. Was Michail Bachtin mit seinem Konzept der Polyphonie für den modernen Roman gezeigt hat, lässt sich auf Literaturen überhaupt über-tragen, die in kulturellen Plurisystemen angesiedelt sind: Sie "umfasst viele Stile, verschiedenartige Reden und verschiedene Stimmen"; sie "ist künstlerisch organisierte Redevielfalt und individuelle Stimmenvielfalt." 1 Das ist dann nicht nur im
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