Im folgenden Beitrag soll an Fällen aus der Schul- und Unterrichtsforschung gezeigt werden, wie es ein neues qualitatives Verfahren schafft, durch eine Fokussierungsbewegung an stärker ‘objektivierten’ – und somit von der eigenen Zuschreibung distanzierteren – Daten zu kommen, ohne die Setzung durch das Feld vorwegzunehmen. Hierzu nutzt das Verfahren die Eye-Tracking-Technologie als Ergänzung videographischer Feldzugänge. Die vor allem aus der quantifizierenden Eye-Movement-Forschung der Psychologie und Psycholinguistik bekannte Technologie birgt für ethnographisch angelegte Studien hohes Innovationspotenzial. Der folgende Beitrag skizziert dieses Potenzial, indem er unter dem Stichwort des Eye-Viewing das so entstehende Verfahren näher beschreibt. Dabei wird Fokussierte Videographie (eine an ethnographische Verfahren der Videodatenerhebung angelehnte Methode) durch Eye-Tracking-Technologie so ergänzt, so dass ein «Sehen durch die Augen Anderer» ermöglicht wird. Mittels Kombination von Aufzeichnungen aus Videokameras und Eye-Tracking-Brillen werden audiovisuelle Daten produziert, die die Perspektive der jeweiligen Akteur*innen viel stärker als bisher der Analyse zugänglich macht. Dies kann v.a. in der Erforschung medienbezogener Praktiken einen Beitrag leisten.
Der Beitrag untersucht ethnographisch und aus einer praxistheoretischen «doing difference»-Perspektive, wie soziale Differenz während der pandemiebedingten Aussetzung der schulischen Präsenzpflicht im Jahr 2020 durch Familien in diskursiven Praktiken hergestellt wird. Wir legen ein besonderes Augenmerk auf die Frage, wie soziale Ungleichheiten durch Akteur:innen der «Zuhause-Schule» konstruiert werden. Zur empirischen Erweiterung deskriptiver und quantitativer Forschungsperspektiven haben wir während der Schulschliessungen die familiäre Umsetzung von schulischen Lernofferten im Rahmen von teilnehmenden Beobachtungen in den Blick genommen, um (Neu-)Konstruktionen des häuslichen Alltags nachzuzeichnen. Die Interpretation des Datenmaterials erfolgte unter der Fragestellung, wie sich Unterricht aufgrund der Aussetzung des Präsenzunterrichts im häuslichen Alltag zeigt. Die Praktiken wurden in Anlehnung an sequenzanalytische Verfahren rekonstruiert. Im Anschluss an bisher vorliegende quantitativ-deskriptive Ergebnisse der Ungleichheitsforschung zu den pandemiebedingten Schulschliessungen arbeiten wir mit einem qualitativen Fokus heraus, dass die von uns begleiteten Familien drei Differenzlinien als besonders relevant adressieren: das Vorhandensein eines sehr spezifischen Sets an technischer Ausstattung, die Möglichkeiten der Eltern, Lernprozesse zu unterstützen, und die privaten sozialräumlichen Gegebenheiten.
scite is a Brooklyn-based organization that helps researchers better discover and understand research articles through Smart Citations–citations that display the context of the citation and describe whether the article provides supporting or contrasting evidence. scite is used by students and researchers from around the world and is funded in part by the National Science Foundation and the National Institute on Drug Abuse of the National Institutes of Health.