Zyklische, handnahe Inspektionen nach DIN 1076 bilden die Datenbasis für die Instandhaltungsplanung unserer Ingenieurbauwerke, die Berechnung von Zustandsnoten erfolgt dabei auf Grundlage erkannter Schäden. Die Dokumentation der Prüfung erfolgt überwiegend im Programmsystem SIB‐BW. Das System sorgt für einen vergleichsweise einheitlichen Bewertungsstandard und ermöglicht in begrenztem Umfang retrospektive und prospektive Betrachtungen für die Instandhaltungsplanung. Neuere Entwicklungen wie BIM oder die in anderen Wirtschaftszweigen etablierte kontinuierliche, sensorbasierte Zustandserfassung bleiben bislang konzeptionell unberücksichtigt. Vor dem Hintergrund der digitalen Transformation stellt sich die Frage, wie sich die etablierte manuelle und die digitale Zustandsbeurteilung sowie BIM‐generierte Daten in eine durchgängige digitale Prozesskette integrieren lassen und welcher Nutzen sich so generieren lässt. Die Hamburg Port Authority (HPA) hat daher das Projekt „smartBridge Hamburg“ initiiert, das prototypisch, anhand der Köhlbrandbrücke in Hamburg das Konzept des digitalen Zwillings pilotiert. Der digitale Zwilling dient dazu, BI‐Modell sowie analoge und elektronische Zustandserfassung konzeptionell zu vereinigen und die über mehrere Schichten aggregierten Daten unterschiedlichsten Nutzergruppen bedarfsgerecht bereitzustellen. Der Beitrag stellt Prämissen und Grundüberlegungen zur Projektinitiierung vor.
Die Bewertung des Bauwerkszustands von Brückenbauwerken erfolgt in Deutschland anhand der auf Grundlage regelmäßiger Bauwerksprüfungen ermittelten Bauwerksnote. Eine Methodik zur Einbindung von Monitoringdaten in die Bauwerksbewertung existiert dagegen derzeit noch nicht. Dabei kann ein Bauwerksmonitoring zur Unterstützung der klassischen Bauwerksprüfung genutzt werden, um das Auftreten oder die Entwicklung von Bauwerksschäden vorübergehend oder dauerhaft zu überwachen und so die von den Schäden ausgehenden Risiken zu mindern. Des Weiteren können in vielen Fällen rechnerische Standsicherheitsdefizite mittels gezielt eingesetzter Messmaßnahmen kompensiert werden. Herausforderungen hinsichtlich der integralen Zustandsbewertung ergeben sich aus der unterschiedlichen Bewertung von Bauwerksschäden (Benotung) und Standsicherheitsnachweisen (Ausnutzungsgrad). Dieser Beitrag stellt eine Methodik vor, die Monitoringdaten und Bauwerksschäden in einer Echtzeitbewertungskennzahl aggregiert, die auch für Nichtfachleute verständlich ist. Neben dem allgemeinen Bewertungsverfahren, das bekannte Elemente aus dem Bewertungsschema nach SIB‐Bauwerke einschließt, werden zwei konkrete Anwendungsfälle anhand des smartBRIDGE‐Konzepts an der Köhlbrandbrücke in Hamburg gezeigt. Dabei handelt es sich um zwei aktuelle rechnerische Standsicherheitsdefizite, die durch eine messtechnische Überwachung kompensiert werden.
Durch den schlechten Zustand vieler älterer Brücken und Änderungen in den Regelwerken ergeben sich häufig Defizite bei der Nachrechnung von Bestandsbrücken nach Nachrechnungsrichtlinie. Für den Fall, dass die erforderliche Bauwerkssicherheit nicht nachgewiesen werden kann, können Bauwerksmessungen zeitlich begrenzt oder als Dauermonitoring durchgeführt werden, um Erkenntnisse über die zeitlich veränderliche Beanspruchung zu gewinnen. Zentral hierfür ist die Ableitung von Zustandsindikatoren für das Bauwerk, die letztendlich den Handlungsbedarf für Betreiber und Ingenieure anzeigen. Im einfachsten Fall wird hierfür z. B. ein Ausnutzungsgrad ermittelt, der allerdings keinen Rückschluss auf das Risiko ermöglicht und streng genommen nur eine binäre Bewertung zulässt. In diesem Beitrag wird daher eine Vorgehensweise erläutert und am Beispiel der Hamburger Köhlbrandbrücke umgesetzt, die es erlaubt, einen Zuverlässigkeitsindex als zeitlich veränderlichen Zustandsindikator bezogen auf den Beulnachweis aus den dynamischen Monitoringdaten abzuleiten.
Als eine der wichtigsten Verkehrsadern Hamburgs verläuft die Köhlbrandbrücke seit 1974 zwischen der Elbinsel Wilhelmsburg und Waltershof über den Köhlbrand. Während das Zentralstück als Schrägseilbrücke mit Stahlhohlkasten konstruiert wurde, wurden die Rampenbauwerke überwiegend aus Spannbeton hergestellt. Die Westrampe ist ein aus 19 Feldern bestehendes System mit Stützweiten zwischen 34 und 70 m und einer Gesamtlänge von 1 048 m. Im Zuge einer Nachrechnung in den Stufen 1 und 2 der Nachrechnungsrichtlinie wurden Defizite beim Nachweis der Querkraft und beim Nachweis des Ankündigungsverhaltens festgestellt. Dieser Bericht beschreibt erweiterte Untersuchungen zum Nachweis der Querkrafttragfähigkeit im Rahmen einer Stufe‐4‐Betrachtung.
1 Einleitung Bei vielen der vor 1980 abschnittsweise gebauten Spannbetonbrücken zeigen sich Risse im Bereich der Spannstahlkopplungen, die auf eine erhöhte Ermüdungsbruchgefährdung des Spannstahls hindeuten [1]. Ursache hierfür ist neben der überproportionalen Zunahme des Schwerverkehrs v. a. die nach früherer Normung unberücksichtigte Temperaturbelastung und, damit verbunden, die nur unzureichend angeordnete Betonstahlbewehrung bei abschnittsweise hergestellten Spannbetonbrücken mit sehr hohem Kopplungsgrad in den Arbeitsfugen. Lokal größere Spannkraftverluste im Bereich der Kopplungen infolge zeitabhängiger Verformungen sowie die geringe Haftzugfestigkeit des Betons in der Arbeitsfuge begünstigen ferner die Rissbildung. Aufgrund der besonderen Koppelfugenproblematik von Spannbetonbauten mit Baujahr bis 1981 ist gemäß Nachrechnungsrichtlinie der BASt [2] eine nachträgliche Bewertung der Ermüdungsfestigkeit von Koppelfugenquerschnitten erforderlich. Der Nachweis gegen Ermüdung wird hierbei entweder auf Grundlage schädigungsäquivalenter Schwingbreiten (Stufe 1) oder durch eine direkte Berechnung der Schädigung infolge Verkehr und Temperatur geführt (Stufe 2). Da am gerissenen Querschnitt (z. B. infolge Temperatur) durch die Verkehrswechselbelastung deutlich höhere Spannungsschwingbreiten im Spannstahl und in der Bewehrung erzeugt werden, kann der Ermüdungsnachweis oftmals nicht erbracht werden. Für Querschnitte von Spannbetonbrücken mit den Ziellastniveaus BK60/30, BK60 und BK30/30 darf der Nachweis gegen Ermüdung alternativ gemäß "Handlungsanweisung zur Beurteilung der Dauerhaftigkeit vorgespannter Bewehrung von älteren Spannbetonüberbauten" [3] geführt werden, welche durch die BASt 1998 zur systematischen Begutachtung gefährdeter Bauwerke eingeführt wurde. Sie sieht ein dreistufiges Nachweiskonzept mit wachsender Genauigkeit der Bemessungsansätze vor: Von Stufe 1 als grobe rechnerische Abschätzung bis Stufe 3, in der bauwerksbezogene (ggf. durch Messungen ermittelte) Annahmen Eingang in den Nachweis finden. Die Nachweisführung erfolgt auf Grundlage von Spannungsschwingbreiten im Spannstahl unter Ansatz des Lastmodells SLW 60 gemäß DIN 1072 zu 50 %. Im rein rechnerischen Nachweis gemäß Stufen 2 und 3 sind ferner Zwangsbeanspruchungen aus Temperatur pauschal von bis zu 12 K und lokale Spannkraftverluste von bis zu 30 % zu berücksichtigen. Im Rahmen der Nachrechnung nach BASt-Richtlinie durch die WTM Engineers GmbH, Hamburg, wurden die Koppelfugen nach BASt-Handlungsanweisung betrachtet. Eine Ermüdungsbruchgefahr des Spannstahls an den Koppelstellen konnte bei einer rein rechnerischen Untersuchung auch nach Stufe 3 demnach nicht ausgeschlos-Mithilfe einer mehrmonatigen zerstörungsfreien Monitoringmaßnahme an zwei Rampenbauwerken der Köhlbrandbrücke, Hamburg, wurde die Ermüdungsbruchgefahr des Spannstahls an den Spannstahlkopplungen infolge Verkehr-und Temperaturbelastung bauwerksbezogen beurteilt und bewertet. Hierzu wurden im Zeitraum August 2013 bis August 2014 dynamische Rissbreitenmessungen am Überbauquerschnit...
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