Einleitung Figuren, Wissen, Figurenwissen In der Forschung zur Figurendarstellung in der erzählenden Literatur ist allgemein anerkannt, dass bei der Produktion und Rezeption literarischer Figuren spezifische Wissensmengen und Wissensformen involviert sind: Autorinnen und Autoren beziehen sich in der Konzeption ihrer Figuren in aller Regel auf psychologisches und anthropologisches sowie literarisches Wissen, das heißt auf psychologische und anthropologische Annahmen, die in ihrer Zeit und ihrem kulturellen Umfeld geläufig sind, sowie gegebenenfalls auf in der literarischen Tradition vorgeprägte Figurentypen. Außerdem haben Figuren eine intendierte Funktion innerhalb der Gesamtkomposition des Werks, und diese Funktion besteht vielfach in der Vermittlung eines spezifischen Wissens, also darin, Auffassungen etwa über Moral, Gesellschaft oder Geschichte mitzuteilen. Leserinnen und Leser schließlich aktivieren in der Rezeption des Werks und seiner Figurendarstellungen bestimmte Wissensstrukturen, um die Textinformationen auf inferentiellem Weg zu ergänzen und Vorstellungen etwa über Aussehen, Charakter und Motive der Figuren zu bilden. Der vorliegende Band versammelt die Beiträge zu einer Ende 2008 am Freiburg Institute for Advanced Studies (FRIAS) veranstalteten Tagung, in deren Zentrum die Untersuchung dieser Beziehungen zwischen Figuren in narrativer Literatur und verschiedenen Wissensformen stand. Zu den übergeordneten Fragestellungen der Tagung gehörten folgende: Welche Rollen spielen spezifische Wissensbestände bei der Darstellung von Figuren in Erzähltexten, welche Anthropologie wird in der Darstellung von Figuren in literarischen Texten vermittelt? Wie lassen sich Techniken und Strategien der Transferierung von außerliterarischen Wissensbeständen in literarische Narrationen systematisch beschreiben? Welche Differenzen und Konstanten ergeben sich für diese systematischen Aspekte des Themas, wenn man die Abhängigkeit von Figur und Wissen in diachroner Perspektive untersucht? Wie intensiv ist der Einfluss bestimmter Konventionen narrativer Genres bei der Darstellung von Figuren? Welche Arten des vorgängigen Wissens sind an der Konstitution von Personenvorstellungen auf der Grundlage von Textdaten beteiligt, wie vollzieht sich die Interaktion zwischen Textinformation und vorgängigem Wissen der Leserin oder des Lesers? Wie weit trägt der spe-Brought to you by | New York University Bobst Library Technical Services Authenticated Download Date | 6/2/15 4:42 AM
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