Die Zeitschrift "Das Neue Buch" als Instrument der Lektürelenkung im kirchlichen Büchereiwesen
Guido beeDer Rezensent des "Neuen Buchs" zeigt sich beeindruckt: William von Simpsons ostpreußische Familiensaga "Die Barrings" hat es ihm sichtlich angetan. Er rühmt das Werk deshalb zunächst als eine "imponierende Leistung der neuen Romankunst" (DNB 44/45 [1938], S. 39) 1 , fügt dann aber hinzu, dass der Roman wegen der Behandlung vieler Probleme "im akatholischen Sinne" nur in "großen städtischen Büchereien, die über einen sehr kritischen und durchaus urteilsfähigen Leserkreis verfügen" (ebd.), zugänglich gemacht werden könne. In der gleichen Zeitschrift findet sich -einige Jahre zuvor -eine Besprechung des Romans "Die Wengelohs" von Felicitas Rose. Die Verachtung des Rezensenten für die "ziemlich rührselige und unwahrscheinliche Geschichte" (DNB 13 [1929], S. 21) ist offenkundig, umso überraschender mutet die daraus abgeleitete Empfehlung an: "Ohne Bedenken kann man das literarisch wenig wertvolle Buch auch jugendlichen Lesern geben, vor allem Mädchen" (ebd.).Das für wertvoll erachtete Werk ist den meisten Lesern vorzuenthalten -das belanglose Buch kann bedenkenlos verbreitet werden. Diese zunächst paradox anmutende Vorgehensweise kann als charakteristisch für einen Umgang mit Literatur gelten, der den deutschen Katholizismus in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts prägte. Die entscheidungsleitende Maxime hierfür war der Grundsatz, dass es Katholiken im eigenen Interesse nicht ermöglicht werden sollte, auf das gesamte im Buchhandel vorhandene Literaturangebot Zugriff zu nehmen. Der katholische Leser sollte von vornherein nur mit ausgewählter, seinen vermeintlichen Bedürfnissen entsprechender Literatur in Berührung kommen. In der hierfür im Vorhinein zu leistenden Literaturselektion sah der Borromäusverein eine seiner Hauptaufgaben. Dieser ursprünglich allgemein auf die Verbreitung guter Bücher 1 DNB = Das Neue Buch. Die der Jahrgangsangabe vorangestellte Ziffer bezeichnet hier und im Folgenden -analog zur Erfassung dieses Periodikums in der Zeitschriftendatenbank -die Heft-bzw. Listennummer. Auf die Angabe "N[eue] F[olge]" bei den ab 1939 erschienenen Exemplaren wird verzichtet, da alle in diesem Beitrag erwähnten Artikel durch die Kombination von Heftnummer, Jahres-und Seitenangabe zweifelsfrei identifiziert werden können.
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