Kann denn Sprache Sünde sein? Eine schöne, treffende Geschichte hat uns unlängst der amerikanische Philosoph Richard Rorty1 erzählt. Seine Geschichte handelt von Kontingenz, von Ironie und von Solidarität. Sie lebt von der Spannung zwischen dem berechtigten Streben der Menschen nach Einmaligkeit und Unverwechselbarkeit auf der einen Seite und ihrer ebenso legitimen Sehnsucht nach sozialer Gemeinschaft und Gerechtigkeit auf der anderen Seite. Diese Spannung spiegelt sich im Bemühen der Menschen um eine unverwechselbare, kraftvolle eigene Sprache einerseits und dem vereinnahmenden Bestreben des Gemeinwesens andererseits, seine Mitglieder zu gut funktionierenden, unauffälligen Mitspielern in den Sprachspielen der Gemeinschaft zu machen. Hier haben wir den Wunsch nach der Unersetzlichkeit des Einzelnen, dort den Primat der Funktion. 1 Rorty, Richard (1993): Kontingenz, Ironie und Solidarität. Frankfurt am Main, 2. Auflage. 2 Der Terminus ״Vokabular" erhält seine Bedeutung im Sprachgebrauch von Rorty im erwähnten Buch und ist selbstverständlich nicht identisch mit ״Wortschatz" im linguistischen Sinn. Gleichwohl sind Wortschätze zentrale Teile von Vokabularien. Vokabularien kann man sich in Annäherung als dynamische Ensembles von sprachlichen Verhaltensweisen, Fähigkeiten, Weltund Lebensentwürfen vorstellen.
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