RabelsZ I. Einleitung mit Darstellung des Sachverhalts und des Verfahrensganges Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat sich häufig mit Fragen des Eltern-Kind-Verhältnisses befasst. Im Fall Harroudj hat er sich zum ersten Mal mit der Kafala und ihren Wirkungen beschäftigt. 1 Die Kafala ist eine freiwillige Verpflichtung, ein Kind zu beschützen und zu erziehen, ohne dass dadurch eine Eltern-Kind-Beziehung entsteht. Die Beschwerdeführerin, die französische Staatsangehörige Katya Harroudj, hat am 10. August 2009 eine Beschwerde gegen die französische Regierung mit der Behauptung eingelegt, Frankreich habe durch seine Gesetze und gerichtliche Entscheidungen gegen Art. 8 (Recht auf die Beachtung des Familienlebens) und Art. 14 (Nicht-Diskriminierungsprinzip) der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verstoßen. Grund für die Behauptung ist, dass der Beschwerdeführerin in Frankreich verwehrt wurde, das von ihr in Algerien im Rahmen einer Kafala aufgenommene Kind zu adoptieren. Das Tribunal von Boumerdès in Algerien hat am 13. Januar 2004 der Beschwerdeführerin die Kafala (accueil légal) für das am 3. November 2003 in Algerien geborene Kind namens Zina Hind übertragen. Die biologischen Eltern sind unbekannt. Algerische Gerichte haben der Beschwerdeführerin erlaubt, mit dem Kind Algerien zu verlassen und sich in Frankreich niederzulassen. Darüber hinaus haben die Gerichte ihr bewilligt, dass sie dem Kind ihren Namen gibt. Seit dem 1. Februar 2004 lebt das Kind in Frankreich, zusammen mit der Beschwerdeführerin und deren Mutter. Am 8. November 2006 stellte die Beschwerdeführerin in Frankreich einen Antrag auf Volladoption (adoption plénière). Mit Urteil vom 21. März 2007 hat das Tribunal de grande instance von Lyon den Adoptionsantrag abgelehnt. Das französische Gericht stützte seine Entscheidung auf Art. 370-3 Abs. 2 Code civil (C.c.fr.). Nach dieser Kollisionsnorm ist das Heimatrecht des zu adoptierenden Kindes auf die Adoption anwendbar. Darüber hinaus erlaubt sie keine Adoption, wenn sie nach dem Heimatrecht des Kindes verboten ist. Dies ist nach Ansicht des Gerichts im algerischen Recht der Fall, da Art. 46 des algerischen Familiengesetzbuches (alg. FamGB) ausdrücklich die Adoption verbiete. Die Antragstellerin habe außerdem aufgrund der Kafala bereits die elterliche Sorge inne (autorité parentale). Diese erlaube ihr, alle für das Wohl des Kindes notwendigen Entscheidungen zu treffen. Das Gericht fügte hinzu, dass die Kafala dem Kind einen ausreichenden Schutz biete, wie dies in den einschlägigen völkerrechtlichen Verträgen vorgesehen ist.
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