Entgegen der Annahme weltweiter Diffusionsprozesse international kursierender Reformideen in der Bildungspolitik gibt es Beispiele für Regionen, die sich widersetzen. In der vorliegenden Arbeit wird dieses Phänomen mithilfe eines Sets an Fällen untersucht, die in ihrer Gesamtheit quasi-laborartige Bedingungen bieten: Im Zuge des Bologna-Prozesses haben einige Bundesländer die Abschlüsse ‚Bachelor' und ‚Master' für die Lehrer*innenbildung übernommen, während andere die Staatsprüfung beibehalten haben. Ausgehend von diesem Befund wird in der Arbeit die Frage untersucht, mit welchen Strategien die Bologna-Reformen in der Lehrer*innenbildung der einzelnen Bundesländer in den Jahren von 1999 bis 2013 politisch umgesetzt bzw. wie deren Implementation verhindert wurde. Die Analyse der Erwartungen bildungspolitischer Akteure zeigt, dass die Hochschulminister*innen im Bologna-Prozess drei Kernmerkmale für die Organisation von Studiengängen festlegten, nämlich Bachelor-und Masterabschlüsse, ein Leistungspunktesystem und die Modularisierung. Darüber hinaus wurde die Bologna-Reform durch die Kultusministerkonferenz im Jahr 2005 auch für die Lehrer*innenbildung deutschlandweit anerkannt. Der Diskurs weiterer wichtiger bildungspolitischer Akteure zeichnet sich darüber hinaus durch eine Vielzahl an positiven gegenüber nur wenigen negativen Stimmen zur Implementation des Bologna-Prozesses in der Lehrer*innenbildung aus. Um die tatsächlichen Reformen differenziert betrachten zu können, wird der Fokus der zweiten Untersuchung allein auf das gymnasiale Lehramt gelegt. Dabei wird für jedes Bundesland die Gestaltung der Studienphase im Jahr 1999 mit dem Stand im Jahr 2013 verglichen. Dabei kann festgestellt werden, dass in allen Bundesländern sowohl das Leistungspunktesystem als auch die Modularisierung eingeführt wurden. Eine Reform der Staatsprüfung hin zu einem Masterabschluss wurde im Untersuchungszeitraum jedoch nur in acht der 16 Bundesländer umgesetzt. Die Einführung der Bachelor-und Masterabschlüsse ging zudem mit einer prozentualen Erhöhung des Anteils der Berufswissenschaften, definiert als Fachdidaktiken, Bildungswissenschaften und Schulpraktika, sowie einer Verlängerung der Studienzeit einher. Dies kann dahingehend interpretiert werden, dass die Bologna-Reformen insgesamt und die Einführung der Bachelor-und Masterabschlüsse im Besonderen als window of opportunity genutzt wurden, um auch andere Reformen umzusetzen. In der dritten Untersuchung werden Plenardebatten in den Bundesländern im Rahmen der Einführung der Bologna-Reformen analysiert, um die Begründungen für eine Reform bzw. für die Beibehaltung der Staatsprüfung zu untersuchen. Insbesondere Begründungen bzw. Strategien der Nicht-Einführung sind dabei besonders relevant, weil sie gängigen theoretischen Annahmen der Diffusion von international kursierenden Reformideen widersprechen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Innovationskraft bzw. Passfähigkeit des eigenen Gesetzentwurfs unter Ausschluss einer Fundamentalkritik an den Bachelor-und Masterabschl...
scite is a Brooklyn-based organization that helps researchers better discover and understand research articles through Smart Citations–citations that display the context of the citation and describe whether the article provides supporting or contrasting evidence. scite is used by students and researchers from around the world and is funded in part by the National Science Foundation and the National Institute on Drug Abuse of the National Institutes of Health.