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Jörg van Norden Auf Texte kann sich eigentlich nicht mehr verlassen, wer von der Standortgebundenheit der Autor*innen und Rezipient*innen ausgeht. Für Historiker*innen kommt noch erschwerend hinzu, dass der Lauf der Zeit sie mit ihren Quellen alleine lässt. Sie haben keine Möglichkeit, nachzufragen, was mit den in anderer Zeit geschriebenen Worten eigentlich gemeint ist und welche Absicht ursprünglich hinter ihnen stand. Die damalige Kommunikationssituation ist nicht mehr präsent ebenso wenig wie die Ereignisse, Strukturen und Personen, von denen sie handeln beziehungsweise die die historischen Autor*innen mit denjenigen, die sie anzusprechen gedachten, verhandeln wollten. Wenn der Text von damals ebenso wie sein Kontext eine soziale Konstruktion von Wirklichkeit ist, der die res gestae nicht abbildet, sondern auslegt, bleibt den Historiker*innen nur der Indizienbeweis 1. Es ist schwer auszuhalten, auf die Frage, was denn damals tatsächlich geschehen ist, nur bestimmte Möglichkeit aufzeigen zu können. Das selbstbewusste »We do not need certainty« Karl Poppers von 1945 zeugt von einem Optimismus, der im Zeitalter der fake news verloren gegangen zu sein scheint 2. Und auch die auf die Dekonstruktion von Tradition und Werten gesetzte Hoffnung, die gewonnene Freiheit werde der Allgemeinheit zum Besten dienen, verliert an Strahlkraft. Was hilft es, Geschichtsbilder mit wissenschaftlicher Präzision zu sezieren, ohne etwas Neues, Zukunftweisendes an ihre Stelle setzen zu können? Was könnte das überhaupt noch sein? Der Kapitalismus hat über den Sozialismus gesiegt, aber die Ungleichheit wächst weltweit Hand in Hand mit der Umweltzerstörung, die besonders den globalen Süden trifft. Die Rede vom Anthropozän, die ursprünglich, kurz nach der glorreichen Oktoberrevolution in Russland, mit der Herrschaft der Menschheit über die Natur das Paradies auf Erden gekommen sah, ist heute in ihr
Warum sollte sich Geschichtsdidaktik noch einmal neu mit etwas befassen, mit dem sie es unter dem Begriff »Sachquelle« eigentlich immer schon zu tun hatte? Ein Blick in auch schon ältere geschichtsdidaktische Literatur zeigt, dass die Frage danach, wie Sachquellen und Objekte für das historische Lernen fruchtbar gemacht werden können, keineswegs neu ist. Grundsätzlich wurde ihnen ein besonderes, in aller Regel positives Potential zugesprochen. Bereits 1977 etwa kam Kurt Fina auf Basis einer von ihm durchgeführten empirischen Untersuchung zu dem Schluss, dass die »anschauend-begreifende‹ Auseinandersetzung des Kindes mit dem historischen Gegenstand« häufig ein »Ort kreativen Schülerverhaltens« sei. 1 Insbesondere steigere sie die Motivation, sich mit historischen Fragestellungen befassen zu wollen. An dieser Einschätzung hat sich bis heute nichts grundlegend geändert, wenn auch die Rahmenbedingungen dessen, was unter Objektbegegnung verstanden wird, andere sein mögen. Immer noch scheinen materielle Gegenstände geeignet zu sein, Interesse zu wecken, aber weniger, Sachwissen über die Vergangenheit aufzubauen. Ihnen wird lediglich eine »Hilfsfunktion« zur Anbahnung historischen Denkens eingeräumt, insofern als sie das Potential der Überraschung aufweisen würden. Bauliche Überreste und anderen Sachenquellen können zweifellos irritieren, wenn sie entsprechend ausgesucht und im Unterricht eingesetzt werden. 2 So konnte Hanna Röttele feststellen, dass sich Schüler*innen auf eine tiefergehende Auseinandersetzung mit Objekten einlassen, wenn sie befremden und nicht allein zwecks Illustration historischer Begebenheiten instrumentalisiert werden. Ein Objekt mag also nicht dann besonders interessant sein, wenn es leicht zu verstehen, sondern wenn es gewissermaßen unkonkret und uneindeutig ist und
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