Einleitung: Zur Ordnung des Eigenen und des Fremden | 9 1 Einleitung: Zur Ordnung des Eigenen und des Fremden Grenzen besitzen eine ebenso anziehende wie abstoßende Wirkung: »[S]ie trennen das Eigene vom Fremden und schützen Vertrautes vor der Bedrohung durch das Unbekannte« (Hess/Wulf 1999: 9). Grenzen betonen die Differenziertheit der Welt durch die Einführung von Distinktionen, mit denen sich die Wirklichkeit ordnen und strukturieren läßt, indem sie sie in Sphären des Gleichen und des Anderen einteilen, Zugehörige von Nicht-Zugehörigen auf der Grundlage einer als bedeutsam wahrgenommenen und pointierten Unterschiedlichkeit von Kulturen, Sprachen, Lebenswelten, Lebensstilen oder Identitäten sondieren. Grenzen stellen daher Orientierungs-bzw. Ordnungshilfen im Umgang mit der Wirklichkeit dar und haben als solche nicht nur das alltägliche, sondern auch das wissenschaftliche Interesse gefunden. Denn die Souveränität des Intellekts ist die Macht, zu definieren und den Definitionen durch die gegenseitige Abgrenzung Wirksamkeit zu verschaffen, so daß unter den vielen Aufgaben, die sich die moderne Wissenschaft gesetzt hat, die der Ordnung und ihre Praxis der Grenzziehung gewissermaßen der Archetyp ist (vgl. Bauman 1995: 16). Dabei haben neben Fachwissenschaften wie Geographie und Politologie gerade auch Ethnologie und Soziologie eine Profession in Entdeckung, Dokumentation und Erklärung von Grenzen entwickelt, mit denen sie die gesellschaftlichen Verhältnisse als »geordnete« ausweisen. Jedem und allem weisen sie mittels sozialer, kultureller oder nationaler Ab-und Eingrenzungen einen ganz bestimmten Platz in der Gesellschaft zu, kategorisieren, klassifizieren, segmentieren und ordnen die Wirklichkeit, versiegeln damit die Felder des Eigenen und des Fremden, was häufig martialische und leidvolle Auseinandersetzungen nach sich zieht. Denn es sind die durch Grenzen erzeugten Differenzen, die die Begegnung mit dem Anderen so reizvoll, aber
Kultur ist dynamisch; sie ist in action. Immer häufiger richtet sich das Forschungsinteresse nicht auf die Kultur, sondern auf die Vielfalt kulturellen 1 Wandels. Treibende Kraft dieses Wandels sind nicht nur ›objektive‹ Prozesse der Differenzierung, Virtualisierung oder Globalisierung. Es ist vor allem das Handeln der Akteure, das Kultur bewegt. Durch die grundsätzliche Kennzeichnung des Menschen als ›Kulturwesen‹, der mit Kultur produktiv umgeht, rückt die Kultur wieder ins Zentrum der Gesellschaftsanalyse. Seit Mitte der 1980er Jahre zeichnet sich in der Soziologie dieser cultural turn ab. Mit dieser ›Wende‹ erlangt Kultur den Status eines grundlegenden Phänomens sozialer Ordnung zurück, das sämtliche Gesellschaftsbereiche durchdringt-Verwandtschaftsbeziehungen und Familienleben, Arbeitsrollen und Organisationen, Kommunikationsformen und Bedeutungen der Sprache, Körpererfahrungen und Geschlechterbeziehungen, nicht zuletzt Arbeits-und Erkenntnisweisen der Wissenschaft. Wichtige Impulse für diese Revitalisierung der Soziologie als Kultursoziologie kamen dabei nicht nur aus den eigenen Reihen, sondern aus disziplinübergreifenden Diskussionszusammenhängen, führend aus der Ethnologie Clifford Geertz' und den anglo-amerikanischen Cultural Studies. Durch diese Öffnung der Soziologie zu anderen Kulturwissenschaften wurde der Kulturbegriff immer offener, nicht zuletzt, weil unter dem Einfluss der Cultural Studies auch die Erforschung ›vulgärer‹, populärkultureller Gegenstände ›salonfähig‹ wurde. Im Gegensatz zu früheren Ansätzen, die einer Substanzialisierung, Totalisierung und Territorialisierung von Kultur Vorschub leisteten, wird jetzt Kultur als Prozess, als Relation, als Verb verstanden. Der Begriff der Kultur ›in Aktion‹ ist wörtlich zu verstehen, denn es
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