Ich liebe Amerika, und diese Bilder sind einige Kommentare dazu. Mein Bild ist eine Aufstellung der Symbole der erbarmungslosen, unpersönlichen Produkte und schamlos materialistischen Objekte, auf denen Amerika heute aufgebaut ist. Es ist eine Projektion von allem, was man kaufen und verkaufen kann, der praktischen, aber unbeständigen Symbole, die uns aufrechterhalten. ANDY WARHOL 1 Der eine neue Identität verleihende American Way of Life, der primär darauf setzt, Geld zu haben/horten, um es im freiheitsliebenden Amerika der Nachkriegszeit jederzeit auch frei ausgeben zu können, kurbelt den ökonomischen Prozess an. Slogans wie »Buy, Buy, It's Your Patriotic Duty« und »Think Prosperity-Have Prosperity«, 2 welche unter der Amtsführung Eisenhowers unzählige Reklametafeln zieren und in den Medien landesweit verbreitet werden, zielen darauf ab, das amerikanische Volk in dem veränderten Selbstkonzept mit seiner Kaufkraft zu bestärken und gleichzeitig die Angst vor einer erneuten Rezession wie derjenigen in der (Vor-)Kriegszeit abzuwenden. 3 Kaufen beziehungsweise Verkaufen wird folglich zur allseits beliebten Tätigkeit, zum gemeinsamen Nenner, wie Warhol wiederum frühzeitig erfasst hat: »[Ver-]Kaufen ist viel ameri
in den 1950ern und 1960ern Jeder hat sein eigenes Amerika, und dann hat jeder Bruchstücke eines Phantasie-Amerika, von dem er glaubt, dass es irgendwo draußen existiert, das er aber nicht sehen kann. […] [Diese] Phantasiewinkel von Amerika erscheinen deshalb so voller Atmosphäre, weil man sie sich aus Filmszenen, Melodien und Büchern zusammengestückelt hat. Und man lebt genauso in einem Traum-Amerika, das man sich aus Kunst und Kitsch und Gefühlen zurechtgeschnitten hat, wie in der Realität. ANDY WARHOL 1 AMERIKA-Mythos der Auserwähltheit, Land der unbegrenzten Möglichkeiten, Hort der Freiheit, Hoffnung auf ein besseres Leben, Schlüssel zum Erfolg, Streben nach Glück, Garant für Prosperität, Inbegriff von Größe, Symbol für Macht; diesem magischen Amerika, das sich laut Warhol partikular wie auch universell konzipiert, das sich als assoziativ fassbar, aber faktisch nie ganz erfassbar in der Imagination realisiert, schlägt die wahre Geburtsstunde in den 1950ern. Während das Land noch eine Dekade zuvor von keinem nationalen Bewusstsein geprägt war, ihm sogar jeglicher kultureller Status abgesprochen und es-an europäischen Standards gemessen-als roh, vulgär und provinziell abge
Publicity ist wie Erdnüsse knabbern. Hat man einmal angefangen, kann man nicht mehr aufhören. ANDY WARHOL 2 Die massenhafte Reproduktion und künstlerisch-serielle Vermarktung der ambivalenten Konsumgüter greift mit den technologischen Neuerungen und den ökonomischen Prozessen rasch auf ganze Personenkomplexe über, so dass selbst Hollywoods Star-Fabrik Warencharakter annimmt. Die Filmindustrie, die aufgrund der Medienrevolution in der Nachkriegszeit eine unfassbare Dynamisierung erfährt, zaubert explosionsartig immer neue Starlets und Stars auf die Leinwände der Kinos und bald auch auf die Bildschirme der Fernseher. 3 Durch die Einbindung in die Massenproduktion, welche die Lücke zwischen ökonomischen und kulturellen Strukturen tendenziell verengt, 4 werden die aufkommenden Berühmtheiten in ihrer mit dem Mehrwert der Konsumprodukte übereinstimmenden Einzigartigkeit bewundert und verehrt, gleichzeitig durch das mehrmalige Erscheinen auf der Bildfläche aber auf eine der künstlerischen Banalität entsprechende Alltäglichkeit degradiert. Doch genau dieser Schein-Widerspruch ist es, 1 Der Übertitel Bold and Beautiful ist der US-amerikanischen Daily Soap entlehnt, die seit dem 23. März 1987 auf dem US-Sender CBS ausgestrahlt wird. Im deutschen Fernsehen wird sie unter Reich und Schön vermarktet. Vgl. http://www.wikipedia.org/ wiki/Reich_und_Schön [letzter Zugriff am 24.03.2015].
Anstatt die Verschränkung von Person und Werk, welche konsequent die künstlerische Arbeit von Andy Warhol prägt, im gängigen Kontext der Pop Art anzusiedeln, verortet Mélanie-Chantal Deiss sie im kulturellen Zusammenhang der Nachkriegszeit in Amerika. In Warhols Werk, das tendenziell als oberflächlich und ahistorisch eingestuft wird, zeichnen sich in dieser Perspektive unerwartet ernste Anliegen der 1950er und 1960er ab. Entlang von Warhols Bild-Serien entfalten sich aussagekräftige, teils ambivalente Erzählstränge zur Nachkriegszeit Amerikas, die ein konkreteres Bild als schriftliche Zeitdokumente vermitteln. Warhols visualisierte Narration kulminiert schließlich in einer Kulturkritik, die Amerika nicht nur als Schauplatz der Bilder behandelt, sondern auch als Ort des Nachdenkens, des kulturellen Imaginären, an welchem die Kunst kritisch produktiv interveniert.
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