Unter den merowingischen Königsdokumenten befinden sich einige Gerichtsdokumente, die die Bestätigung einer privaten Transaktion unter Rückgriff auf die Form eines Prozesses vor dem Königsgericht dokumentieren. Diese oft «Scheinprozesse» genannten Texte sind nur vom Ende des 7. bis zum Beginn des 8. Jahrhunderts überliefert. Die Historiker haben in diesen Scheinprozessen bis jetzt nur die Möglichkeit gesehen, dass sich ein Erwerber oder Geschenknehmer damit mit Hilfe der Königsgewalt seine Rechte garantieren lassen wollte. Eine neuere Überprüfung dieser Urteile zeigt jedoch, dass es sich um ein spezifisches Verfahren handelte, das darauf abzielte, den Status des auctor zu bestätigen, d. h. des vorhergehenden Besitzers, der den Erwer- ber gegebenenfalls vor Gericht verteidigen konnte. Der Scheinprozess betrifft somit den vom römischen Recht ererbten Schutz vor der Besitzentziehung (denn das römische Recht hatte gegen Ende der merowingischen Zeit in Neustrien noch Bestand). Das Urteil führte nicht zu einer Urkunde, die für sich genommen das Eigentumsrecht hätte garantieren können, sondern war ein Hilfsmittel, mit dem der Erwerber den auctor vorladen konnte, um seine Rechte zu verteidigen.
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