In the research project "Political Sociology of the Corona Protests", researchers from the Department of Sociology at the University of Basel are empirically investigating the current Corona protests in Switzerland and Germany. The aim of the research is to analyse the motivation, values and beliefs of the participants in rallies, actions and demonstrations directed against the corona-related measures.In order to be able to comprehensively investigate these new protests, a broad empirical approach (mixed-methods) will be pursued in the research project. This includes a quantitative online survey, ethnographic observations, qualitative interviews and document analyses.
ZusammenfassungDer Beitrag stellt die Ergebnisse der Interpretation qualitativer Interviews mit Corona-Kritiker:innen dar. Gefragt wurde nach den Formen der Gesellschaftskritik, die sich in den Interviews manifestieren. Die Analysen zeigen (1), dass die Kritik auf einem rationalistischen Verständnis von Krisenlösung beruht. Die Tatsache, dass die Corona-Krise aus dieser Sicht nicht rational bearbeitet wird, wird als Indiz dafür gesehen, dass damit grundsätzlich etwas nicht stimmen kann. Auf dieses Problem reagiert die conspirituality der Kritiker:innen, eine Kombination verschwörungstheoretischer und esoterischer Vorstellungen, deren Einheit im Interesse am Geheimnisvollen gründet. Die Analysen erlauben es, (2) den spezifischen Stil der Maßnahmenkritik als formale Pathetik zu bestimmen: Substanziell bleibt sie relativ leer, wird aber umso leidenschaftlicher vorgetragen. Die rhetorischen Mittel sind dafür das Ziehen möglichst drastischer Vergleiche, die Romantik des heroischen Widerstandskampfs sowie der Anspruch, sich für das Wohl der Kinder zu engagieren. Schließlich wird (3) eine gesellschaftstheoretische Einbettung der Maßnahmenkritik angeboten, die mit Eisenstadt davon ausgeht, dass die moderne Gesellschaft von einer Erosion der Grundlagen aller Gewissheit geprägt ist, was zu einem grundsätzlichen Glaubwürdigkeitsproblem führt, das sich im Verlust des Vertrauens in zentrale gesellschaftliche Institutionen (Politik, Wissenschaft, Medizin, Medien) ausdrückt. In geradezu idealtypischer Weise kommt dies in der Maßnahmenkritik zum Ausdruck.
Zusammenfassung
In den deutschsprachigen Gesellschaften sind bezüglich der Deutung einer pandemischen Lage und des richtigen Umgangs mit der Pandemie politische Konflikte entstanden. Das empirische Forschungsprojekt „Politische Soziologie der Corona-Proteste“ zeigt auf, dass es trotz motivationaler, inhaltlicher und weltanschaulicher Heterogenität dieser Protestbewegung eine zentrale verbindende Gemeinsamkeit gibt: Die Teilnehmer*innen und Sympathisant*innen der Proteste, die sich gegen die Corona-Maßnahmen richten, „vergemeinschaften“ sich über ein starkes Selbstverständnis als Kritiker*innen. In diesem Beitrag erfolgt eine Charakterisierung der „Coronakritiker*innen“ und Interpretationsvorschläge für eine soziologische Einordnung dieser Bewegung werden unterbreitet.
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