2.Theoretischer Rahmen der Studie Die Vorstellung, dass Gesellschaften aus "Akteuren" bestehen, die verantwortlich handeln, ist heute gemeinhin akzeptiert (vgl. Coleman 1990;Felsch 2010;Ortmann 2010). In modernen Gesellschaften werden im Wesentlichen drei Gruppen von Akteuren unterschieden: Individuen, Organisationen und Staaten (vgl. Meyer/Jepperson 2000). Akteure, die sich diesen Kategorien zurechnen lassen, gelten im Alltagsverständnis als eigenständige und natürliche Einheiten, denen Handlungen zugerechnet werden können und auch werden. In der neoinstitutionalistischen Organisationstheorie wird diese Konzeptualisierung von Akteuren jedoch problematisiert. Es wird argumentiert, dass die Akteure der modernen Gesellschaft -Individuen, Organisationen und Staaten -keine ontologische Gegebenheit, sondern Ergebnis einer kulturellen Konstruktion sozialer Agentschaft sind (vgl. Meyer/Jepperson 2000; Drori et al. 2009; für einen Überblick vgl. Walgenbach/Meyer 2008), wobei unter Agentschaft die legitime Vertretung eines oder mehrerer legitimierter Prinzipale verstanden wird. Organisationen, wozu auch Unternehmungen gehören, wurden insbesondere im Zuge der Aufklärung als eigenständige Akteure sozial konstruiert (vgl. Pedersen/Dobbin 1997). Eine Voraussetzung für die "Erfindung" dieser Akteure war die Erkenntnis, dass auch nicht-menschlichen Entitäten Rechte und Verantwortung übertragen bzw. zugeschrieben werden können. Akteuren wird die Fähigkeit und die Verantwortung zugesprochen, (1) im Verhältnis zu sich selbst und (2) im Verhältnis zueinander als "Andere" zu agieren sowie (3) für Einheiten, die selbst keine Akteure sind, und (4) den umfassenden kulturellen Rahmen zu handeln. Der Akteur ist demnach ein agenthafter Akteur, der auf der Basis institutionalisierter oder kultureller Regelungen autorisiert ist, für sich selbst (Agentschaft für das Selbst), für andere Akteure (Agentschaft für andere Akteure) oder Nicht-Akteure (Agentschaft für andere Nicht-Akteure) und für den kulturellen Rahmen (Agentschaft für Prinzipien) zu handeln. (1) Der moderne Akteur kann nach Meyer und Jepperson (2000) zunächst einmal als Agent für das Selbst (Agentschaft für das Selbst) verstanden werden. Die Autoren betonen, dass beispielsweise das agenthafte Individuum, das bestimmte, dem Anschein nach in seiner Persönlichkeit oder seinem Lebensentwurf liegende Ziele verfolgt und nach Selbstverwirklichung strebt, keine "natürlich" existierende Entität, sondern ein Resultat der modernen Kultur ist -ebenso wie der souveräne Staat, der die Ziele einer nationalen Gesellschaft verfolgt, oder die Organisation, die ihre legitimierten Interessen zu realisieren versucht. Die Ziele und Handlungsweisen dieser Akteure sind nicht individuell oder singulär, sondern in beträchtlichem Maße standardisiert und in Form von Skripten vorgegeben. In dem Maße, in dem sich Individuen, Organisationen und Nationalstaaten zu legitimierten Agenten für ihre Interessen entwickeln, übernehmen sie die standardisierend wirkende Verantwortung, sozial konstruierte moralische Pri...