Angesichts dessen, wie sich Lebensweisen in unserer Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten stark veränderten und sich normalisierende Muster für Lebensverläufe in vielerlei Hinsicht immer weiter auflösen, erstaunt es, wie unsere Wohnweisen im Allgemeinen dennoch lange Zeit stabil und auch wenig hinterfragt bleiben/blieben. Oder wie Jürgen Hasse diese Unbedachtheit des Wohnens einordnet: "Solange die tagtäglich wiederkehrenden Angelegenheiten des Wohnens bewältigt werden können, scheint das Wohnen selbst nicht bedacht werden zu müssen" (Hasse 2009, S. 14, Hervorheb. i. Orig.). Tatsächlich fällt es auch schwer, sich Wohnen grundlegend anders vorzustellen, als wir es nun mal gewohnt sind. Das verweist bereits auf seine gesellschaftliche Prägung und unser aller Wohnsozialisation. Aber auch die Gemäuer, in denen wir leben, scheinen ihren Teil zu dieser Beständigkeit beizutragen. So mahnt etwa Ulf Herlyn an, dass "räumliche Anordnungen zu Täuschungen führen können, indem sie sich erst mit einem ‚time-lag' sozialen Wandlungen anpassen und damit oft länger Ausdruck längst vergangener und von der Entwicklung überholter gesellschaftlicher Konstellationen sind" (Herlyn 1970, S. 194). Gleichwohl dieser mutmaßlichen Kontinuität im Wohnen gibt es aktuell zahlreiche Indizien -so führe ich noch aus -, die darauf hindeuten, dass Wohnen sich offensichtlich in einem Umbruch befindet. Insofern scheint ein Moment gekommen zu sein, in dem Fragen des Wohnens grundsätzlicher zur Disposition stehen und Wohnverhältnisse deshalb gerade jetzt auch aktiv(er) mitgestaltet werden können. Wie Jürgen Reulecke (bereits 1997) formulierte, lässt sich mutmaßen, "ob wir heute nicht an einem Punkt in der Geschichte des Wohnens angekommen sind, in der sich die Phase der Prägung durch die Industrialisierung dem Ende zuneigt und eine neue Epoche beginnt" (Reulecke 1997, S. 7).
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