Wenn der Erste Weltkrieg auch die «Urkatastrophe» des 20. Jahrhunderts und die «Büchse der Pandora» öffnete, so ergaben sich die Menschen dieser Katastrophendynamik nicht kampflos. Es war nicht wie in der griechischen Tragödie, wo unvermeidlich der Untergang naht. Der Erste Weltkrieg brachte auch die moderne Demokratie auf den Weg – nach dem Ersten Weltkrieg konstituierte sich in vielen, in den maßgeblichen europäisch-atlantischen Staaten überhaupt erst die demokratische Bürgerschaft aller Bürgerinnen und Bürger. Das war etwas entscheidend Neues. Und gleichzeitig schufen die Demokraten dieser Länder etwas weiteres unerhört Neues.
569Weimar, das lange von der Forschungsagenda verschwunden war, erlebt neuerdings eine Art Renaissance. Im Mittelpunkt steht dabei nicht mehr das Problem einer "Demokratie ohne Demokraten", die fast unweigerlich zum Scheitern verurteilt war. Der Fokus richtet sich jetzt auf die gegenläufigen Kräfte -auf die zunehmende Zahl der Demokraten und ihre vielversprechenden Reformkonzepte, die immer mehr Anklang fanden und so oder so ähnlich auch in den USA und anderen europäischen Staaten diskutiert wurden. Weimar, so Tim B. Müller, einer der profiliertesten Verfechter dieser These, war auf einem guten Weg. Dass er nicht zur Konsolidierung führte, lag an der Katastrophe der Weltwirtschaftskrise und daran, dass zur falschen Zeit die falschen Männer an der Regierung waren. Bleibt diese These unwidersprochen? nnnn "Wir nehmen diesen Ruf von jenseits der Grenzen auf, wir sind einig im Glauben an die Unbesiegbarkeit der Demokratie, die nicht nur die Gleichheit zwischen den Volksgenossen, sondern auch die Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit zwischen den Völkern, den Völkerbund erschaffen muss." Mit diesen von "lebhafte[m] Bravo und Händeklatschen" gefeierten Worten beendete am 23. Juli 1919 Reichskanzler Gustav Bauer seine Regierungserklärung vor der Nationalversammlung 1 . Bauer war einer von vielen Demokraten, die nach dem Ersten Weltkrieg eine transnationale demokratische Dynamik vorantrieben. Der deutsche Regierungschef, der auch die Annahme des Versailler Vertrags verteidigte und die Verabschiedung der Verfassung und der großen Steuerreform verantwortete, vertrat ein Programm, das geradezu typisch für viele Demokratien jener Jahre war. Aber was ist von dieser zeitgenössischen Erwartung, von diesem grenzüberschrei-tenden, europäischen Optimismus in historischen Darstellungen der Zwischenkriegszeit zu spüren?Wer einen neuen Zugang zur Weimarer Republik finden will, muss den demokratischen Erwartungshorizont der Zeit erschließen. Was war Demokratie in der Zwischenkriegszeit 2 ? Eine konsequente Historisierung, die darauf verzichtet,
Historians have long been aware of the power of narratives; but they have been hesitant to analyse the production of national narratives of democracy, in which their own profession played an important role. This issue and introduction aims to insert and study the role of narratives in the history of democracy. It builds on the growing literature in both the conceptual and political history of democracy, which has stressed the importance of the late 19th century and the first half of the 20th century in the coming of modern democracy, albeit in non-linear and highly contested ways and often in contrast to the retrospective teleology at work in most older histories of democracy. Therefore, from the 19th century onwards, languages and narratives of democracy developed in many countries, but it happened at different times, at different speeds, and in different forms. This issue encourages and exemplifies systematic and comparative historical analysis of how narratives of democracy were created in that context: What national narratives of democracy did, in fact, exist in specific periods and contexts? Where have these narratives come from? How were nations ‘narrated’ as democratic, what purposes did different narratives serve, and how did they change over time?
Wie Schweden zum Sehnsuchtsort wurde, zur deutschen, amerikanischen, globalen Utopie, das wäre eine eigene, eine Traum-Geschichte, die mit den Ungeheuern der Vernunft ebenso ringen müsste wie mit der Übermacht der Klischees. Die Realgeschichte Schwedens aber und auch die Geschichte seiner traumdeuterischen Selbstwahrnehmungen sind deutschen Lesern nun erstmals präzise und umfassend zugänglich gemacht worden, und dass dabei ganz unterschiedliche Schweden zum Vorschein kommen, erhöht nur den intellektuellen Reiz dieser Erkundung und lässt uns ahnen, dass dieses Land etwas an sich hat, was ins Herz unserer politischen Existenz trifft. Die beiden Geschichten, die Traum-Geschichte der Klassenlosigkeit und Design-Moderne, die Real-Geschichte der politischen Konflikte und wohlfahrtsstaatlichen Kompromisse, sind nicht voneinander zu trennen.
«Die Neue Linke bedeutete Marcuse mehr, als er selbst der Neuen Linken bedeutete.» Mit dieser Erkenntnis endet ein Buch, das am Anfang einer neuen Ära in der Ideengeschichte der Frankfurter Schule steht. Wer glaubt, über die linken Denker der Zwischenkriegszeit, über Exil, Heimkehr und Nachwirken sei alles bekannt, sieht sich hier eines Besseren belehrt. Während über die rechten Köpfe der Weimarer Jahre kaum anders als im Modus der historisierenden Distanz geschrieben werden konnte, versperrte die scheinbar zeitlose theoretische Aktualität der Frankfurter den abgeklärten Blick aus der professionellen Ferne. Schon Martin Jay, der am nächsten bei den Beschriebenen stand und in erster Linie Theoriegeschichte betrieb, wurde vorgeworfen, die Theorieproduktion nicht fortzuführen.
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