In keinem anderen Literaturbereich ist das Sortiment des Schauerlichen wohl vielfältiger als in der gegenwärtigen Kinder- und Jugendliteratur: vom Bilderbuch mit seinen unzähligen Monstern über kinderliterarische Horrorserien bis hin zur Fantasy, die sich seit Jahren als Aufmarschgebiet der Untoten – der Zombies, Werwölfe und Vampire – etabliert hat. Die Figuren des Unheimlichen können, so zeigt ein differenzierender Blick auf die Texte, in unterschiedlicher Weise Ängste ansprechen: So bietet die Gestaltung des Schreckens die Möglichkeit, der Angst ins Gesicht zu schauen, sich mit den Dämonen, welche die Kinder verfolgen, auseinanderzusetzen und Möglichkeiten durchzuspielen, sie zu bezwingen. Andererseits lassen sich in der Identifikation mit furchterregenden Monstern auch eigene Ängste lustvoll kompensieren. Die Macht, die Ängste über uns erhalten, und die Fragen danach, wie wir ihnen begegnen (können), sind allerdings nicht nur ein Thema der fantastischen Literatur, sondern auch ein wiederkehrendes Thema in realistischen Texten für Kinder und Jugendliche. Hier werden die Figuren der Angst zu Symbolen des Unbewussten; sie lassen Verunsicherungen und Krisen darstellbar werden. Der Beitrag geht an ausgewählten Beispielen den unterschiedlichen Formen und Funktionen nach, in denen Angst in der Kinder- und Jugendliteratur gestaltet und von Angsterfahrungen erzählt wird, und diskutiert sie in ihren kulturellen und literarischen Kontexten.
Sich selbst erinnern -Erinnern ans Kindsein, Erzählen vom Kindsein»Erinnerungen aus der Kindheit kann man doch nur haben, wenn man selbst kein Kind ist« (de Velasco 2013, S. 10) -so kommentiert die 13-jährige homodiegetische Erzählerin Nini im Roman Tigermilch das Auftauchen einer ersten bewussten »richtige[n] Kindheitserinnerung« (ebd.). Angesprochen ist damit der zunächst paradox anmutende Zusammenhang von Kindsein und Erinnern. Sich selbst im umfassenderen Sinn daran zu erinnern, wie es ist, ein Kind zu sein, gehört zu den Fähigkeiten, die Kindern nicht zugesprochen werden. Die Kindheit gilt als das Lebensalter, in dem man ganz bei sich ist, in dem alles gegenwärtig und vieles möglich ist. Pläne und Perspektiven richten sich in die offene Zukunft, im Rückblick über Erinnerungen zu verfügen und sie als Teil der eigenen Biografie zu begreifen, wird selbst zum Zeichen der Differenz: ein Indiz dafür, dass die Kindheit bereits an ihr Ende gekommen ist. Sowenig Erinnerungen eine Rolle für Kinder selbst zu spielen scheinen, so wichtig ist das Erinnern an das Kindsein in psychologischer, (auto-)biografischer, generationeller und kultureller Perspektive, seitdem die Kindheit als ein eigenes und prägendes Lebensalter im 18. Jahrhundert verstärkt in den Blick geraten ist. Sich in Gesprächen, Tage büchern,
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