Innovation ist häufig als der Schlüssel zur Wirkstoff‐Findung beschrieben worden. Doch in der täglichen Routine neigen Medizinalchemiker dazu, nur das Instrumentarium der funktionellen Gruppen und Strukturelemente zu verwenden, das sie bereits kennen und lieben. Das Blockbuster‐Krebsmedikament Velcade (Bortezomib) wurde beispielsweise von mehr als 50 Unternehmen abgelehnt, vermutlich wegen seiner ungewöhnlichen Boronsäuregruppe (“Only a moron would put boron in a drug!”). Auch im Entwicklungsprozess des pan‐CDK‐Inhibitors BAY 1000394 sorgte der unkonventionelle Vorschlag, eine Sulfoximingruppe in die Leitstruktur einzuführen, zunächst für Spott und Stirnrunzeln, da Sulfoximine selten in der medizinischen Chemie verwendet worden sind. Jedoch war es gerade die Sulfoximingruppe, die es schließlich ermöglichte, die fundamentalen Probleme des Projekts zu überwinden, und so zur Identifizierung des klinischen pan‐CDK‐Inhibitors BAY 1000394 führte. Der vorliegende Kurzaufsatz gibt einen Überblick über eine weithin vernachlässigte Chance in der medizinischen Chemie – die Sulfoximingruppe.