Organokupferreagentien sind in der Organischen Chemie die universellsten Synthesewerkzeuge für die nucleophile Übertragung harter Carbanionen auf elektrophile Kohlenstoffzentren. Es wurden schon viele Untersuchungen zu ihren Strukturen und Reaktionsmechanismen beschrieben; diese führten zu einem breiten Spektrum an Vorschlägen hinsichtlich des Mechanismus, die einander allerdings teilweise sogar widersprachen. Neuere theoretische und physikalische Methoden haben es möglich gemacht, aus dem gesammelten Wissen über die Organokupferchemie einige wenige mechanistische Grundprinzipien herauszuarbeiten. In diesem Beitrag wird zunächst ein Überblick über die allgemeinen Strukturmerkmale von Organokupferverbindungen und die früheren mechanistischen Überlegungen gegeben; anschließend werden die aktuellsten Vorstellungen präsentiert, die man durch quantenchemische Rechnungen auf hohem Niveau für drei typische Cupratreaktionen – die Carbocuprierung, die konjugierte Addition und die SN2‐Alkylierung – erhalten hat. Die so erlangte einheitliche Sicht der nucleophilen Reaktivität von Organocupratclustern enthüllte, dass die Organocupratchemie ein kompliziertes Beispiel für molekulare Erkennung und supramolekulare Chemie ist, das Chemiker seit langer Zeit nutzen, ohne dies geahnt zu haben. Wir werden auch eine Erklärung dafür liefern, warum das Kupferatom unter den benachbarten Elementen im Periodensystem so einzigartig ist.