Zusammenfassung. Fragestellung: Aktuelle Studien weisen auf ein erhöhtes gemeinsames Auftreten von Geschlechtsdysphorie (GD) und Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) hin. Diese Studie soll Aufschluss über die klinische Prävalenz von ASS bei Kindern und Jugendlichen in einer deutschen Spezialsprechstunde für GD sowie über personen- und behandlungsbezogene Merkmale bei vorliegender Doppeldiagnose (GD, ASS) geben. Methodik: Angaben zum Zuweisungsgeschlecht, Alter, Diagnosen (GD, ASS) und Behandlungsstatus von 680 Kindern und Jugendlichen (Zeitraum: 2013 bis 2018) wurden erfasst. Die Häufigkeit von ASS-Diagnosen (F84.0, F84.1, F84.5, F84.8 oder F84.9, gesichert und ASS-Verdacht) wurde innerhalb der Stichprobe mit GD-Diagnose (gesichert: F64.0, F64.2; Verdacht: F64.8, F64.9; n = 579) ausgewertet. Personen- und behandlungsbezogene Merkmale wurden vergleichend zwischen 18 Kindern und Jugendlichen mit Doppeldiagnose und 40 Kindern und Jugendlichen mit GD-, aber ohne ASS-Diagnose ausgewertet. Ergebnisse: Die klinische Prävalenz von ASS bei vorliegender GD-Diagnose lag unter Einschluss der Verdachtsfälle bei 3.1 %. Kinder und Jugendliche mit einer Doppeldiagnose erhielten signifikant häufiger eine GD-Verdachtsdiagnose und wurden signifikant seltener körpermedizinisch behandelt als Jugendliche ohne ASS-Diagnose. Schlussfolgerungen: Obwohl die gemeinsame Prävalenz von GD und ASS in dieser Untersuchung geringer als in anderen internationalen Sprechstunden ausfiel, sprechen die Zahlen für ein erhöhtes gemeinsames Auftreten der Phänomene. Die Behandlungsergebnisse verdeutlichen, dass eine ASS-Diagnose die Diagnostik bei GD sowie die Indikation somatischer, geschlechtsangleichender Maßnahmen erschweren kann.