Zusammenfassung
Hintergrund Für die Beschreibung von depressionsartigen psychischen
Beschwerden in verschiedenen kulturellen Weltregionen hat sich das Konzept der
kulturellen Skripte als sehr nützlich erwiesen. Der Beitrag stellt erstmals das
Galaxienmodell und dessen Umsetzung in der Modellvorstellung der kulturellen
Skripte theoretisch vor und verbindet diese mit der kulturpsychologischen
Werteforschung. Mit einer neuen, umfangreichen Serie von Forschungsprojekten
sollen posttrauma-bezogene psychische Beschwerden in verschiedenen Weltregionen
untersucht werden.
Methoden Die Arbeit in zwei Ländern/Regionen begann mit Fokusgruppen, in
denen Elemente kultureller Skripte durch traumatisierte Klienten und/oder von
(therapeutischen) Experten zusammengetragen werden. Dazu wurde ein
theoriegeleiteter Rahmen möglicher post-traumatischer Skriptelemente vorgegeben.
In der Schweiz wurden Fokusgruppen mit Patient:innen und mit Expert:innen
durchgeführt. In Ruanda und drei ostafrikanischen Ländern wurden Fokusgruppen
mit Genozid-Überlebenden und anderen Traumaopfern durchgeführt. Die Auswertung
fand semi-quantitativ statt.
Ergebnisse Als Skriptelemente wurden in der Schweiz ca. 50 Symptome und
Veränderungen genannt (z. B. Trotzdem funktionieren müssen). Als Skriptelement
in Ostafrika wurden ca. 100 Symptome und Veränderungen genannt (z. B. Verlust
der Menschenwürde). Erste temporale Zusammenhänge (d. h. starke Skripts) wurden
für die Schweizer Skripts gefunden (z. B. Selbstentwertung – Drang zu
funktionieren). In der Ostafrikanischen Studie wurden zudem den
Skriptgruppierungen zugrundeliegende kulturelle Wertorientierungen erhoben
(z. B. Ansehen in der Gemeinschaft).
Diskussion Die hier vorgestellten illustrativen Ergebnisse belegen das
Galaxienmodell und die Eignung des kulturellen Skriptkonzepts für die
Traumafolgen-Erfassung. Es zeigen sich Unterschiede und Übereinstimmungen in den
beiden bisher untersuchten Weltregionen. Weitere Schritte an den beiden
Studien-Sites werden die temporalen Zusammenhänge und die Beziehungen zu
Wertorientierungen sein. An den anderen Untersuchungssites werden die Studien in
den Folgejahren gestartet.