ZusammenfassungDas Neugeborenenscreening (NGS) ist ein hoch erfolgreiches Programm der Sekundärprävention mit dem Ziel, schwere Folgeschäden von angeborenen, meist genetisch bedingten Erkrankungen durch möglichst frühe präsymptomatische Identifizierung zu verhindern. Bisherige Studien zeigen wichtige Errungenschaften von NGS-Programmen, decken aber auch eine Reihe von relevanten Schwächen auf. Dazu gehören der zumeist unvollständig verstandene natürliche Verlauf und die phänotypische Vielfalt seltener Krankheiten sowie die unzureichende Möglichkeit einer präzisen, frühen Vorhersage des individuellen Krankheitsschweregrads und damit die Unsicherheiten bei der Falldefinition, der Risikostratifizierung und der Behandlungsindikation.Vor dem Hintergrund der rasanten Entwicklungen in den genetischen Hochdurchsatztechnologien und der damit verbundenen Möglichkeiten einer zukünftigen erheblichen Ausweitung der NGS-Programme erscheint es überfällig, die strukturierte Langzeitbeobachtung und die hierauf basierende Evaluation des langzeitlichen Gesundheitsnutzens für die im NGS identifizierten Menschen mit seltenen Krankheiten obligatorisch im NGS-Programm zu verankern. Der vorliegende Beitrag erläutert die Bedeutung der Langzeitbeobachtung für die Evaluation und die kontinuierliche Optimierung des NGS. Klinische Langzeitverläufe der im NGS identifizierten Menschen mit angeborenen Stoffwechselkrankheiten werden beispielhaft dargestellt.