Der grundsätzliche Ansatz von Böhm-Bawerks temporaler Kapitaltheorie wird mittels moderner modelltheoretischer Methoden gerechtfertigt. In einem Allgemeinen Gleichgewicht ist der durchschnittliche zeitliche Vorlauf der Arbeitsleistungen vor den Konsumgüteroutputs auf der Produktionsseite gleich dem durchschnittlichen zeitlichen Vorlauf des Arbeitsangebots der Haushalte vor ihrem Konsum. Je nach den Parameterwerten ist der Realzins im Gleichgewicht positiv oder auch negativ.
I. Autobiographische VorbemerkungBöhm-Bawerks Zinstheorie war meine Initiationsprüfung in das Gebiet der theoretischen Nationalökonomie. Das kam so: Ich studierte im ersten Universitätssemester nach meinem Abitur an der Universität Zürich, immatrikuliert als Student der Rechte. Das war im Sommer 1957. Von zuhause hatte ich den Rat mitbekommen, das erste Semester dafür zu verwenden, mich "umzuhören". So besuchte ich -angesichts des schönen Wetters und des verlockenden Sees nicht regelmäßig -Vorlesungen im Privatrecht, im Völkerrecht (Kägi), in der Soziologie (von Schelting), in der Geschichte (von Muralt), in der Germanistik (Emil Staiger), in der Angewandten Mathematik (Hans Künzi), in der Betriebswirtschaftslehre sowie in der Volkswirtschaftslehre (Jürg Niehans und Friedrich Lutz). Bei aller Faszination für Geschichte, Germanistik, Soziologie etc. begeisterte mich die Vorlesung von Friedrich Lutz über "Preistheorie" am meisten. So beschloss ich, von der Juristerei umzusatteln auf die Nationalökonomie. Ich kaufte mir neben dem Lehrbuch von Erich Schneider auch das gerade frisch herausgekommene Buch von Friedrich Lutz über "Zinstheorie" (Lutz 1956). Nicht nur das Faktum, dass sein Verfasser mein Professor war, sondern auch das Thema, der Zins, verlockten mich zu diesem Kauf. Das erste Kapitel dieses Buches handelte von Eugen von Böhm-Bawerks temporaler Zinstheorie. Spätere Kapitel gingen dann über Knut Wicksell, Irving Fisher, Gustav Cassel und so weiter, bis schließlich OPEN ACCESS | Licensed under CC BY 4.0 | https://creativecommons.org/about/cclicenses/