ZusammenfassungDie Urogynäkologie ist ein hochspezialisierter interdisziplinärer Fachbereich vom Charakter einer Subspezialisierung. Sie verfolgt das Ziel der Untersuchung und nachhaltigen ganzheitlichen Behandlung funktioneller, statischer, endokriner und sexueller Störungen bzw. Erkrankungen im Bereich des Urogenitalsystems und des kleinen Beckens. Der Arbeitskreis „Urologische Funktionsdiagnostik und Urologie der Frau“ der Akademie der Deutschen Urologen wurde 1977 gegründet und fokussiert die Urogynäkologie auf die Aktualisierung und Fortentwicklung der Diagnostik und klinischen Therapieverfahren, auf die Weiterbildung sowie auf die Mitgestaltung der urogynäkologischen Leitlinien. Harninkontinenz und Beckenbodensenkungen nehmen demografisch bedingt zu. Steigende soziokulturelle Ansprüche der Frauen erfordern effektivere Behandlungen mit erfolgssicheren und komplikationsarmen Methoden. Meilensteine in der Urogynäkologie waren die Einführung und Weiterentwicklung minimalinvasiver Operationsverfahren wie unter anderem TVT („tension-free vaginal tape“) -Systeme, laparoskopische und roboterassistierte Techniken, die Entwicklung eines Komplikationsmanagements, gezieltere medikamentöse Therapien sowie die Möglichkeiten der modernen Funktionsdiagnostik mit Beckenbodensonografie und MRT-Untersuchungen. Klassische Operationstechniken wie Kolposuspensionen oder Kolposakropexien und vaginale Plastiken ohne Fremdmaterial haben weiterhin einen hohen Stellenwert. In speziellen Fällen sowie Rezidivsenkungen haben sich netzbasierte pelvine Plastiken den konventionellen Verfahren wegen guter Langzeiterfolge und nur geringen Rezidivraten als überlegen erwiesen, sofern eine anatomisch korrekte Operationstechnik, kritische Auswahl textiler Implantate sowie eine angemessene Aufklärung erfolgt. Instrumentelle Nahttechniken und Operationsroboter sind aufgrund der beengten Zugänge und Aktionsräume vorteilhaft. Bei apikalen direkten Fixationen ist die therapeutisch relevante Zielgröße der Elevationswinkel der Scheide. Bewährte anatomische Fixationspunkte sind vorzuziehen.Die Aus- und Weiterbildung auf dem Fachgebiet der Urogynäkologie und die Harmonisierung mit europäischen Vorgaben (European Board & College of Obstetrics and Gynaecology) sollten umgesetzt werden. Fähigkeiten und Fertigkeiten zu hochspezialisierten netzbasierten Eingriffen und effektiven Techniken zum Komplikationsmanagement sollten genauso interdisziplinär vermittelt werden, wie einfach zu erlernende und zu nutzende diagnostische Verfahren, besonders aber die Beckenbodensonografie.Nur eine Fächerübergreifende urogynäkologische Subspezialisierung kann die Entwicklung erforderlicher Fachkompetenzen garantieren. Interdisziplinäre Weiterbildungen sollten durch die beteiligten Fachgesellschaften (Urologie, Chirurgie und Gynäkologie) inhaltlich festgelegt und deren Umsetzung vereinbart werden.