Wir tun alles, um Zwangsmaßnahmen in der Psychiatrie zu verhindern." Diesen Satz in sinngemäßer Form verwenden wir vielfach, wenn wir unsere alltägliche Arbeit in der stationären Psychiatrie gegenüber der Presse, den Angehörigen oder gegenüber Patienten erklären müssen. Wir benutzen ihn manchmal aber auch, um unser eigenes Gewissen zu beruhigen oder um äußeren Zwängen zu genügen. Die Schweizerische Richtlinie zur Reduktion von Zwangsmaßnahmen [1], ebenso wie die deutsche S3-Richtlinie [2], ermahnt uns, alles zu tun, um Zwangsmaßnahmen zu vermeiden. In unserem hauseigenen Formular zur gesetzeskonformen Dokumentation von Zwangsmaßnahmen müssen die Berichtschreibenden ankreuzen, dass alle Maßnahmen zur Vermeidung von Zwangsmaßnahmen ausgeschöpft wurden. Doch tun wir dies in der Realität auch, nutzen wir alle Möglichkeiten? Vieles deutet darauf hin, dass dem leider nicht so ist. Ein indirekter Beleg hierfür ist zum Beispiel, dass sich die Raten von Zwangsmaßnahmen innerhalb eines Landes von Klinik zu Klinik und nicht selten sogar innerhalb einer psychiatrischen Klinik stark unterscheiden [3]. Wenn alle alles tun würden, dürften diese Zahlen jedoch nicht groß differieren. Vor Kurzem hat eine Gruppe Schweizer Psychiater eine Studienreise nach Triest gemacht. In dieser norditalienischen Region werden die Ideen von Franco Basaglia, Italien, aus den 1970er-Jahren auch im Jahre 2019 in beeindruckender Weise umgesetzt. Möglichst wenig psychiatrische Hospitalisationen, möglichst viel Personenkonstanz, hoch individuelles Setting von stationär bis zur aufsuchenden Betreuung von ein und demselben Behandlerteam sind nur einige Maßnahmen des klinischen Vorgehens in Triest. Vergleicht man die Rate von Zwangsmaßnahmen dort mit den Zwangsmaßnahmen in der Reduktion von Zwangsmaßnahmen: Alles ist nicht genug