Zusammenfassung
Sowohl nach nationalem wie nach europäischem Recht gelten für die Untersuchungshaft als ultima ratio der Verfahrenssicherung strenge Anordnungsvoraussetzungen, die von den Gerichten in einer komplexen Prüfstruktur festzustellen sind. Ebenso finden sich normative Verpflichtungen, Strafverfahren in Haftsachen zügig und gegenüber anderen Verfahren beschleunigt einer Klärung zuzuführen. Der Beitrag erhellt, dass in der Praxis zunehmend das eine Prinzip gegen das andere ausgespielt wird und das Bedürfnis, Verfahren schnellstmöglich zu erledigen, die Notwendigkeit einer gründlichen Prüfung der Haftvoraussetzungen überlagert. Augenfällig ist dies für Verfahren eher leichter Kriminalität gegen sozial marginalisierte ausländische Tatverdächtige. Dieser länderübergreifende Befund wird anhand von Ergebnissen einer vergleichenden empirischen Studie zur Untersuchungshaftvermeidung in sieben europäischen Staaten dargestellt. Die beobachtete neue Beschleunigungsfreude lässt sich Erscheinungen der Ökonomisierung und Marginalisierung des Rechts zuordnen, die durch gesetzlich verankerte oder kriminalpolitisch geforderte Möglichkeiten, Strafverfahren zu „effektivieren“, begünstigt werden.