Die Rolle von Defekten, besonders von Sauerstoff-Fehlstellen, auf Oxidoberflächen gilt seit je als entscheidend in der Grenzflächenchemie derartiger Substrate. In jüngster Zeit sind auf diesem Gebiet vor allem bei Titandioxid (TiO 2 ) erhebliche Fortschritte durch die Kombination von Rastertunnelmikroskopie (STM) und Rechnungen mit Dichtefunktionaltheorie (DFT) erzielt worden. So konnten etwa die H 2 O-Dissoziation, [1,2] die O 2 -Dissoziation [2][3][4] und (De-)Hydrierungsreaktionen von aromatischen Verbindungen [5] sehr ausführlich untersucht werden.Leider kann das experimentelle Verfahren, dem diese Fortschritte im wesentlichen zu verdanken sind, nämlich die Rastertunnelmikroskopie (STM), auf Pulver, die technisch wichtigste Form von Oxidmaterialien, nicht angewendet werden. Auch wenn über einige (wenige) STM-Untersuchungen an Pulverteilchen von Nanometergrçße berichtet worden ist, [6] kçnnen chemische Reaktionen an Oxidoberflächen und die Rolle von Sauerstoff-Fehlstellen an Oberflächen von Nanopartikeln nicht ohne weiteres untersucht werden.Eine andere experimentelle Technik, die Infrarot(IR)-Spektroskopie ist schon in großem Umfang für die Untersuchung chemischer Prozesse an Oxidpulvern eingesetzt worden. [7] Allerdings gibt es nur sehr wenig Resultate an wohldefinierten, einkristallinen Oxidoberflächen. Infolgedessen ist der oberflächenwissenschaftliche Ansatz, der bei der Aufklärung der Reaktionsmechanismen an Metallpartikeln durch Vergleich mit Ergebnissen für wohldefinierte Einkristall-Bezugssysteme mit großem Erfolg eingesetzt worden ist, [8] bei der Aufklärung von Reaktionen auf Oxidoberflächen mit großen Schwierigkeiten behaftet. Hier stellen wir einen neuen Ansatz vor, mit dem Sauerstoff-Fehlstellen sowohl auf Oberflächen aus Oxid-Einkristallen wie auch auf Pulverteilchen untersucht werden kçnnen. Wir verwenden dieses Verfahren, um nachzuweisen, dass die Oberflächenchemie von Formaldehyd auf TiO 2 -Nanopartikeln tatsächlich von der Dichte der O-Fehlstellen bestimmt wird. Wir werden zunächst zeigen, dass das Vorliegen von Sauerstoff-Fehlstellen auf Oberflächen von Rutil-TiO 2 (r-TiO 2 ) mit Ultrahochvakuum-IR-Spektroskopie (UHV-FTIRS) unter Verwendung von CO als Sondenmolekül direkt bestimmt werden kann. Nach Kalibrierung dieses Verfahrens mit einem gut definierten, r-TiO 2 (110)-Einkristallsubstrat werden wir es bei den entsprechenden Pulverproben anwenden.Die Reflexions-Absorptions-IR-Spektroskopie (RAIRS)-Daten in Abbildung 1 zeigen, dass auf einer vollständig oxidierten r-TiO 2 (110)-Oberfläche mit geringer Fehlstellendichte nur eine einzige Bande bei 2188 cm À1 im CO-Streckschwingungsbereich zu sehen ist. Diese Frequenz liegt um 45 cm À1 über dem für die Gasphase beobachteten Wert (2143 cm À1 ). Eine solche Blauverschiebung ist typisch für auf Oxidoberflächen adsorbiertes CO und stimmt gut mit früheren Ergebnissen der Elektronenenergieverlustspektroskopie (EELS) und theoretischer Untersuchungen überein. [9] Nach einer Reduktion der TiO 2 -Oberfläche entweder durch Ionenzerstäubung oder durch Erhi...