ZusammenfassungÄrztliche Behandlungsempfehlungen bei Patienten mit Diabetes werden von den Betroffenen zu einem großen Teil nicht umgesetzt. Dies betrifft sowohl die Medikamenteneinnahme als auch Empfehlungen zu einem gesundheitsförderlichen Lebensstil mit entsprechender körperlicher Aktivierung, gesunder Ernährung, ggf. Beendigung des Rauchens und angemessener Gewichtskontrolle. Das Nichtbefolgen dieser Empfehlungen führt nachweislich zu einer deutlichen Risikoerhöhung für Diabeteskomplikationen, Morbidität und eine vorzeitige Mortalität. Ärztliche Reaktionen auf dieses Patientenverhalten umfassen verstärkte Bemühungen um „Therapietreue“ und resultieren langfristig nicht selten in einem Gefühl von Ohnmacht und Resignation. Forschungsbemühungen konzentrieren sich auf eine zunehmende Zahl von Interventionen zur Förderung der Therapieadhärenz, wobei die Ergebnisse von Metaanalysen auf einen nur mäßigen Erfolg hinweisen.Mit dem vorliegenden Positionspapier wird ein praxisorientierter Ansatz zur Diskussion gestellt, der auf eine Verbesserung der beschriebenen Problematik abzielt. Zentral ist dabei die Reflexion der verschiedenen Rollen sowie der Verantwortungsübernahme der Patienten auf der einen Seite und der Ärzte bzw. anderer Berufsgruppen (Diabetesberater, Psychotherapeuten) auf der anderen Seite. Es wird eine neue Klassifikation verschiedener Arten der Therapieadhärenz bzw. Non-Adhärenz vorgeschlagen. Diese bilden den Ausgangspunkt zu einem praxisbezogenen Algorithmus zum ärztlichen Umgang mit unterschiedlichen Arten der Therapieadhärenz, bei dem die Rollen und die Verantwortungen für Behandler und Patienten explizit geklärt werden. Dabei wird keine Therapieadhärenz von Patienten forciert. Vielmehr wird darauf abgezielt, dass Patienten eine informierte, tragfähige und eigenverantwortete Entscheidung für oder gegen einen ärztlichen Vorschlag treffen und dass dies von Behandlerseite akzeptiert werden kann, sodass Frustrationen und Ohnmachtsempfinden vermieden werden. Abschließend werden Thesen zum Umgang mit „Motivationsproblemen bei Diabetes“ zur Diskussion gestellt.