Im Fokus | HNO 2•2003 94 Welche Möglichkeiten erscheinen realistisch in der Diskussion um den Nutzen von Stammzellen in der Therapie bisher unheilbarer Erkrankungen? Da sich der Stand der Forschung ständig wandelt, werden hier neben einem kurzen Über-blick über die Arten von Stammzellen aktuelle Forschungsergebnisse kritisch besprochen. Die Darstellung ihrer Auswirkungen auf die Therapie der Zukunft und bisheriger Möglichkeiten soll einen Beitrag dazu leisten, dass neue Ergebnisse in das bisher Erreichte eingeordnet werden können. Alle Stammzellen zeichnen sich durch die Fähigkeit zur Selbsterneuerung aus sowie durch das Potenzial, in einzelne oder mehrere reife Zelltypen mit spezifischen Funktionen zu differenzieren. Hierdurch können die Gewebe verbrauchte Zellen ersetzen und entstandene Schäden, zumindest in einem gewissen Umfang, reparieren. Während der Embryonal-und Fetalentwicklung bilden Stammzellen durch Differenzierung zu spezialisierten Effektorzellen den entstehenden Organismus. Die toti-und pluripotenten Zellen des Embryos besitzen ein breites Entwicklungspotenzial, das nach bisheriger Lehrmeinung bei den somatischen Stammzellen adulter Gewebe, die im Wesentlichen Zellen ihres Ursprungsgewebes regenerieren, größtenteils verloren gegangen ist. "Neuere Daten zeigen ein modifiziertes Bild, das auch somatischen Stammzellen überra-schend große Entwicklungsfä-higkeiten zuweist." Neuere Daten zeigen jedoch ein modifiziertes Bild, das auch somatischen Stammzellen überraschend große Entwicklungsfähigkeiten zuweist. So kön-nen neurale und Muskelstammzellen Blutzellen bilden, während Blutstammzellen in vivo Gehirn-und Muskelzellen erzeugen können. Allerdings ist die generelle Plastizität somatischer Stammzellen umstritten.
Stammzellen während der OntogeneseEmbryonale, fetale und adulte Stammzellen besitzen unterschiedliche entwicklungsbiologische Potenziale. Wäh-rend die totipotente Zygote und die Zellen des 8-Zell-Embryos den kompletten Organismus bilden können, entwickeln sich aus der inneren Zellmasse von Blastozysten und den daraus isolierten pluripotenten embryonalen Stammzellen "nur noch" die verschiedenen Gewebetypen des Embryos. Der Unterschied zwischen toti-und pluripotenten Zellen wird also darin gesehen, dass die Zygote und die aus den ersten Teilungen entstandenen Tochterzellen sich als Einzelzellen zu einem intakten Organismus entwickeln können, während die pluripotenten ES-Zellen dazu nicht mehr in der Lage sind. Embryonale Stammzellen von Maus und Mensch können in vitro expandiert und in eine Vielzahl verschiedener Zelltypen differenziert werden, wie z. B. Blut-, Muskel-oder Nervenzel-