ZusammenfassungDie breite Einführung nicht-invasiver pränataler Tests (NIPT) sowie die Ausweitung der Testziele über Trisomien hinaus machen es notwendig, Sinn und Ziel der pränatalen Diagnostik (PND) als emergente soziale Praxis grundsätzlich zu diskutieren. Wenn, wie angenommen wird, PND nicht zu eugenischen Zwecken, sondern zur Stärkung der Autonomie dienen soll, muss gefragt werden, welche Bedeutung die Entscheidungen haben, ein bestimmtes zukünftiges Kind (nicht) zu gebären. Stephen Wilkinson hat vorgeschlagen, PND als eine Form „selektiver Reproduktion“ zu verstehen. In diesem Paper wird geprüft, ob die Charakterisierung der Entscheidung nach PND als „Selektion“ zutrifft und welche moralischen Vorannahmen ihr zugrunde liegen.Es zeigt sich, dass das Konzept der „selektiven Reproduktion“ die Handlungen der PND inakkurat repräsentiert. Es beinhaltet zudem sowohl eine Abstrahierung als auch eine Distanzierung. Es nimmt an, dass Frauen und Paare entweder falls nötig mehrere Schwangerschaften planen, um ein gesundes Kind zu erzeugen, oder sich als Ausführende einer selektiven Strategie auf der Populationsebene verstehen. Die Einschränkung der ethischen Diskussion auf das Problem der Selektion verdeckt zwei wichtige Problemfelder, die die konflikthaltige Situation der PND aus der Perspektive der Frau oder des Paares charakterisieren: die Schwangerschaft als persönliche Beziehung und den Akt des Abbruchs der Schwangerschaft. Aufgrund seiner impliziten Normativität wird „selektive Fortpflanzung“ als sinnvolle Bezeichnung für die Praxis der PND zurückgewiesen.