ZusammenfassungDie Verabreichung von Narkotika wie Äther und Chloroform zur Schmerzbekämpfung bei operativen Eingriffen wurde von Beginn an von schwerwiegenden, häufig fatal verlaufenen Zwischenfällen überschattet. Auch die Verwendung der als weniger gefahrenvoll gepriesenen Lokalanästhetika verlief nicht so komplikationslos wie zunächst erhofft und endete nicht selten tödlich. Untersuchungen zu den vielseitigen Ursachen der Narkosezwischenfälle erfolgten schon frühzeitig, führten aber meist zu keinen eindeutigen Ergebnissen. Die bei der Verabreichung von Narkotika involvierten Ärzte machten sich in diesen Fällen die Erklärungsversuche der österreichischen Ärzte Arnold Paltauf und Rudolf Ritter von Kundrat zu eigen, die Ende der 1880er-Jahre unerklärliche Narkosezwischenfälle bei scheinbar gesunden Individuen mit dem Vorliegen einer Konstitutionsanomalie erklärten: des sog. „Status thymicus, lymphaticus bzw. thymolymphaticus“. Wurde bei einem tödlichen Narkosezwischenfall das Geschehen auf das Vorliegen dieser Anlageanomalie zurückgeführt, sprach man zuweilen auch vom „Thymustod“ und verzichtete auf weitergehende gerichtliche Untersuchungen. Entsprechende Aussagen erlangten daher eine große forensische Bedeutung, da nun ebenfalls in Fällen einer „Mors subita“ bei Säuglingen oder Kleinkindern im häuslichen Bereich zu Unrecht Beschuldigte beim Vorliegen einer Thymushyperplasie strafrechtlich nicht weiter verfolgt wurden. In der operativen Medizin war der „Status thymolymphaticus“ jahrzehntelang ein Thema, insbesondere bei dem mit der Narkosedurchführung betrauten Personenkreis, sodass ein historischer Rückblick zu dem gefürchteten vermeintlichen Syndrom bei operativen Eingriffen gerechtfertigt erscheint.