ZusammenfassungDieser Beitrag untersucht – aus der Perspektive der institutionellen Ethnographie und unter Rückgriff auf Datenmaterial der vergleichenden Replikationsstudie „Die sanften Kontrolleure“ – wie Sozialarbeiter_innen im Handlungsfeld Jugendgerichtshilfe Dokumente in Gesprächen mit ihren Adressat_innen zum Einsatz bringen. Es zeigt sich, dass Dokumente Jugendgerichtshelfer_innen einerseits dazu dienen, Konflikte zu vermeiden und die Hilfeabsicht die Interaktion bestimmen zu lassen. Andererseits werden auch Funktionen offenbar, die in Strategien der Wahrheitsfindung eingebettet sind und nicht auf Hilfe für die Adressat_innen, sondern auf die Erfüllung des justiziellen Handlungsauftrags zielen. In variierendem Ausmaß fungiert die Akte als Verbündete in der Interaktion und erweitert das sozialarbeiterische Handlungsrepertoire um Möglichkeiten, sich als Helfer_in darzustellen – jedoch nicht nur der Adressat_innen, sondern vor allem des Gerichts. So deuten die Ergebnisse, erstens, darauf hin, dass der Einbezug von Dokumenten in die Interaktion die Gefahr in sich birgt, dass Sozialarbeiter_innen ihre Handlungspraxis standardisieren und dabei eine juristische Handlungslogik antizipieren. Analog dazu weist, zweitens, auch ein diachroner Vergleich von Bezugnahmen auf Dokumente in den Gesprächen zwischen Sozialarbeiter_innen und ihren Adressat_innen auf eine Verschiebung der Selbstpositionierungen von Sozialarbeiter_innen in Richtung ihres justiziellen Hilfeauftrags hin.