In der psychoanalytischen wie in der soziologischen Literatur über den Fremden, wird die Begegnung mit ihm und die Figur an sich als ambivalent beschrieben. Das Interessante, die Produktivität sowie die Chancen auf Veränderungen, die mit dem Fremden verbunden sind, gehen genau wie das in ihn projizierte Begehren mit Verunsicherungen einher. Der Ort dieser Ambivalenz und Verunsicherung ist der öffentliche Raum der großen Städte, denn dort begegnet man tagtäglich dem Fremden, der keineswegs nur als Migrant in Erscheinung tritt. Der öffentliche Raum gilt daher als anstrengend, anonym und verunsichernd, denn in ihm besteht immer eine Wissenslücke, zwischen dem was man tatsächlich über den Fremden weiß und dem, was man wissen müsste, um Situationen kontrollieren zu können (vgl. Bauman 1997). Man kennt den Anderen nicht, man weiß nicht, was er vor hat, ob er dieselben "Kultur-und Zivilisationsmuster" (Schütz 1972) teilt. Wird aufgrund visueller Merkmale kulturelle Differenz vermutet, so ist der Fremde nicht nur der Unbekannte, sondern es wird wechselseitig Andersartigkeit unterstellt. Soziale Ungleichheit und Machtdisparitäten überhöhen solche Definitionen von Fremdheit. Der Fremde als sozialer Typus stellt die psychische Integration des Individuums und die soziale Ordnung in Frage.In der Literatur zur Soziologie der Stadt werden unterschiedliche soziale und individuelle Mechanismen beschrieben, wie mit dieser ambivalenten Erfahrung umgegangen wird. Gans (1982) erwähnt den "urban villager", bei dem Fremdheit in einem dichten Netz nachbarschaftlicher Beziehungen aufgeht und der Fremde bekannt gemacht wird. Außerhalb solch spezieller Nachbarschaften ist es bei Simmel (1995) die urbane Indifferenz, die Großstädter über mentale Distanz vor Reizüberflutung schützt. Neue Formen formeller sozialer Kontrolle, wie Videoüberwachung oder private Sicherheitsdienste, wiederum dienen dazu, Fremde zu exkludieren, um mit ihnen die Verunsicherung aus städtischen Räumen zu entfernen, oder dazu, verunsichernde Fremdheit zumindest einzuhegen.Um solche Bearbeitungsmechanismen von Fremdheit empirisch zu überprüfen, wurde in einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt anhand von zwei Marktorten, als Prototypen des öffentlichen Raums (vgl. Bahrdt 1998: 82), untersucht, wie trotz der Anwesenheit von unbekannten und/oder als andersartig definierten Fremden soziale Ordnung hergestellt wird. Verglichen wurden eine traditionelle innerstädtische Geschäftsstraße und eine