Die Sektion als letzter Dienst am Vaterland. Die deutsche „Kriegspathologie“ im Ersten Weltkrieg

Nerven, Krieg und militärische Führung

“…Zudem sollten sie den Schulerfolg und die Gründe für bereits verbüßte Haftstrafen ermitteln. 97 Eine große Auswirkung auf die Musterungsuntersuchungen hatten schließlich auch die Vorschläge des Stabsarztes an der Kaiser-Wilhelm-Akademie 98 Ewald Stier aus dem Jahr 1902, die das Ziel hatten, »Geisteskranke«, ------95 Seit der Zeit Sigmund Freuds verstand man unter einer Neurose eine leichtgradige psychische Störung, die durch einen Konflikt ausgelöst wurde. Schwerere seelische Störungen wurden als Psychosen bezeichnet und von den Neurosen unterschieden.…”

“…96 Zudem konnten sich individuelle Männlichkeitsvorstellungen von diesem hegemonialen Diskurs erheblich unterscheiden. 97 Die zunehmende Bedeutung, die die militärischen Führungen dem individuellen Willen im Ersten Weltkrieg in ihren öffentlichen Verlautbarungen einräumten, steht nur scheinbar in einem Gegensatz zur Erfahrung des mörderischen Materialkrieges, zur geläufigen Bezeichnung der Kriegsteilnehmer als »Menschenmaterial« 98 (analog zur Anzahl der Artilleriegeschütze oder Maschinengewehre) und zu den Befehlen der 3. Obersten Heeresleitung, die an der Front Menschen rigoros durch Maschinen ersetzt sehen wollte.…”

“…95 Dieser Kongress, auf dem 241 Nervenärzte zusammenkamen, strahlte im psychiatrischen Diskurs noch weit in die Weimarer Republik und die Zeit des Nationalsozialismus hinaus, da in Fachartikeln immer wieder auf die Kriegstagung Bezug genommen wurde. 96 Neben der Kriegstagung der Psychiater hielten im Jahr 1916 auch die Internisten 97 , Pathologen 98 und Chirurgen 99 entsprechende Tagungen ab, sodass es als das Jahr der medizinischen Fachtagungen im Krieg angesehen werden kann. Diese Tagungen dienten der Bestandsaufnahme des vorhandenen medizinischen Wissens für die medizinischen Fachrichtungen, um die im Kriege verstärkt auftretenden Krankheitsbilder effizient zu behandeln.…”